Seite - 193 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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wie zwischen Ratten:Â
ich wuĂźte nicht, worum es ging, noch welche die Parteien
waren. […] Der Kampf dauerte eine volle Stunde.“197 Am Morgen erwacht Jo-
seph inmitten von Blutlachen, in der Brust der Frau steckt ein Messer.198
Die Gewalt des boxerischen Kämpfens wird in Ernst Kreneks Libretto
Schwergewicht schlieĂźlich satirisch ins Echtbrutale ĂĽberfĂĽhrt: Die junge Anna
Maria muss sich aus Gründen gesellschaftlicher Schicklichkeit – als junge, in
einen Boxer (nämlich Adam Ochsenschwanz) verliebte Frau hält man sich von
diesem tunlichst fern – vor ihrem Vater verstecken, der die Boxhalle aufsucht,
in der auch Anna sich aufhält199; der Tanzlehrer Gaston springt ihr, als Arzt
verkleidet, helfend bei und ersetzt die „Trainierpuppe“200 im Boxsportsaal des
Champions Adam Ochsenschwanz, eine mannshohe Hartplastikfigur, durch die
Frau auf der Flucht: „Mit einem Griff treibt er ihr eine von den ledernen Gesichts-
masken auf, die am Boden liegen, so daĂź sie eine gewisse Ă„hnlichkeit mit der Puppe
bekommt.“201 Anna Maria bietet das „Jammerbild einer […] Jungfrau […]: Sie
skizziert eine Pose à la Venus von Milo.“202 Wer in den Bannkreis des Boxens gerät,
muss mit Nachteilen rechnen. Im Trainiersaal macht Gaston Ochsenschwanz auf
das am Boden liegende Kleid Anna Marias aufmerksam. Der Boxer missachtet
den Hinweis. „Ochsenschwanz (macht seiner unterdrückten, aber stets wachsenden
Wut durch anfangs kleine Stöße und Schläge gegen die vermeintliche Trainierpuppe
Luft):Â
Mach mich nicht wild.“203 Dem ebenfalls anwesenden Professor Himmel-
huber, Anna Marias Vater, erklärt Ochsenschwanz: „Das ist eine Puppe, die den
Gegner vorstellt.“204 Ochsenschwanz feuert den nächsten Schlaghagel ab:
Ochsenschwanz (voll Zorn auf die unbeweglich duldende Anna Maria einschlagend):
Himmelherrgottsakerment!
Professor Himmelhuber (entsetzt):Â
Das ist ja furchtbar! Wenn man denkt, daĂź das ein
Mensch sein könnt’! […]
Ochsenschwanz: Ich wollt’, es wär’ einer drin! […]
Professor Himmelhuber: Machen Sie ein Ende!
Ochsenschwanz (drischt drauf los): Da – und da – und da – knock out!
Anna Maria (taumelt und fällt mit einem Aufschrei vom Sockel herab, wobei sie
die Gesichtsmaske verliert).
197 Klabund 1998, S. 298
198 Vgl. ebd.
199 Vgl. Krenek 1974, S. 174
200 Ebd., S. 178 (Hervorh. im Orig.)
201 Ebd. (Hervorh. im Orig.)
202 Ebd. (Hervorh. im Orig.)
203 Ebd., S. 179 (Hervorh. im Orig.)
204 Vgl. ebd. 193
Box-Demontage:
Faustkampf
in
der
elaborierten
Erzählliteratur |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂĽberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂĽckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440