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repräsentieren.“237 Nach dem Kampf besucht der Erzähler in Der Boxer ein Kaf-
feehaus. „Plötzlich schwanken Fäuste herein“238, kommentiert der Augenzeuge das
Erscheinen des Fighters: „Seine Fäuste reden englisch: upercut, swing. Und sein
Auge übersetzt: a Watschen, daß dir obarinnt …“ 239 Der Beobachter ergreift die
Flucht. „Ich rufe: Zahlen!!!“240 Gerade die Fäuste der Boxer erfahren, wahlweise
als „mechanische“241 oder „natürliche“242 Sportinstrumente ausgewiesen, in zahl-
losen Texten gesonderte Aufmerksamkeit. Er habe ja seine Fäuste, entgegnet der
Boxer Bruno Brüstung in Die große Sache, als er auf der gefahrenvollen Suche nach
Inges Ehemann Emanuel von seiner Begleiterin nach Art seiner Bewaffnung ge-
fragt wird,: „Dann gib Pfötchen“243, sagt Inge und überführt damit die Verklärung
der zum „heiligsten Rüstzeug“244 stilisierten Fäuste diminuierend ins Komische.
Die mit Stoß und Schlag ausgefochtene „Schlacht“245 im Ring wird kontextuell
umgewertet, die „Urmethode des Faustkampfes“246 bis ins Groteske als komische
Balgerei verzerrt: „Dort, wo andere Menschen ihre Hände haben, schwellen bei den
Boxern rotbraune Fäustlinge“247, beobachtet Joseph Roth in Die Boxer (II), „man
stelle sich vor, daß Hände geschwollene Backen haben können.“248 Das Gravitäti-
sche der Vorstellungsbilder von den im Lichtkegel statuarisch erstarrten Matadoren
mit behandschuhter Faust wird von ironisierten Klischees unterwandert. „Es muß
komisch sein, solche Riesenhandschuhe an den Händen zu haben“, stellt Erich
Kästner in Boxer unter sich fest. „Man kann sich nicht im Gesicht jucken. Man kann
sich die Nase nicht persönlich putzen!“249 Allein die Ahnung, wie es sich wohl an-
fühle, mit Handschuhen bewehrt in den Ring zu treten, erzeugt beim Erzähler von
Boxer unter sich Abwehr: „Es wäre mir schrecklich.“250
Aber nicht nur die Fäuste der Boxer finden skeptische Beachtung; den über-
handnehmenden Technisierungs- und Instrumentalisierungstendenzen in Bezug
auf die Körpermessbarkeit wird in der elaborierteren Literatur ebenfalls wider-
sprochen. In übertriebener Akzentuierung des Faktischen lässt Anton Kuh sei-
237 Ebd.
238 Ebd., S. 144
239 Ebd.
240 Ebd.
241 Carpentier 1996, S. 156
242 Kohtes 1999, S. 9
243 Mann 1972, S. 240
244 Nürnberg 1932, S. 121
245 Wondratschek 2005c, S. 86
246 Kosmopolit, S. III
247 Roth 1989b, S. 999
248 Ebd.
249 Kästner 1998a, S. 170f
250 Ebd. S. 171 199
Box-Demontage:
Faustkampf
in
der
elaborierten
Erzählliteratur |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440