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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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nen Ich-Erzähler in Wie schreibt man über einen Boxer? Körperkennzahlen refe- rieren: „Ich teile hier seine Maße mit: Brust:  160; Oberarm:  75; Unterarm:  75; Hals:  54;  Entfernung von der Nasenwurzel bis zur Stirn:  3;  Neigung des Hinter- schädels:  90°.“251 Der Sieg im „Kampf um den Lorbeer des deutschen Meisterbo- xers“252 scheint dem Boxer Paul Samson-Körner in Joseph Roths Feuilleton Der Kampf um die Meisterschaft gewiss, betrage doch „die Reichweite seiner Arme […] 1.93, seine Körperlänge 1.82, sein Brustumfang 1.05, sein Wadenumfang 39 und die Stärke seines Bizeps 31–35“253. Die sogenannte Reichweite eines Boxers bemisst sich an der Distanz, aus der sein Gegenüber mit Fäusten noch zu erreichen ist, also die Strecke von der Schulter bis zur geschlossenen Faust; üblicherweise zwischen 60 und 80 Zentimeter. Die sogenannte Spannweite wird dagegen in Schulterhöhe bei ausgebreiteten Armen gemessen, von Fingerspitze zu Fingerspitze; der Begriff der Distanz bezeichnet im Boxen daher ein Paradoxon, nämlich die tatsächliche Armreichweite des Sportlers und damit den letztmöglichen Abstand, das Gegen- über im Ring mit Schlägen zu erreichen.254 Nicht nur dem lesenden Fachpublikum muss der von Joseph Roth körpernormierte Samson-Körner mit seinen knapp zwei Metern Reichweite („die Reichweite seiner Arme […] 1.93“) als nachgerade luziferisch-lachhafte Gestalt erschienen sein; die Niederlage von Samsons Gegner ist in Der Kampf um die Meisterschaft jedenfalls, so oder so, besiegelt: Breitensträter ist „um zwei Zentimeter kleiner, seine Wade um zwei Zentimeter dünner, seine Reichweite um drei Zentimeter geringer“255. Exakte Körperbeschau, die zu ironi- scher Distanz reizen soll, findet auch im Kleinen statt. Der Begeisterungsschauer, den die Boxer in den Rängen der Arenen auszulösen vermögen, wird ins Lachhafte überzogen; die anwesenden Zuschauerinnen erweisen sich in Die große Sache als kritische Körperrichterinnen, die das pfauenhafte Paradieren und Präsentieren der Boxer Brüstung und Alvarez einzuschätzen wissen. Diese beurteilten mit ihrer besonderen Sachkenntnis die beiden grell und ohne Vorbehalt sichtbaren Körper, Höchstleistungen der männlichen Rasse. Sie maßen und er- kannten die überwältigende Kraft des Nackens, den vollendeten Aufbau der Mus- keln an Armen und Schenkeln, die ehern abgeteilten Wölbungen des Brustkorbes und auch den Inhalt der lächerlichen Höschen. Bei Brüstung war das Höschen weiß, bei Alvarez schwarz, aber das machte den Damen nichts aus.256 251 Kuh 1963, S. 72 252 Roth 1990d, S. 73 253 Ebd. 254 Vgl. Linnemann 2004, S. 26 255 Roth 1990d, S. 73 256 Mann 1972, S. 145; in Kurt Tucholskys Gedicht Zuschauer mustert das weibliche Publikum „verzückt ein Suspensorium“, vgl. Tucholsky 1999b, S. 431 200 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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