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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Der Boxer, von Heinrich Mann als einer der ideologischen und ideellen „Füh- rer der Zeit“257 bloßgestellt, erscheint auf menschliches Maß verkleinert. Im herangezogenen Textkorpus finden sich deshalb auch gehäuft kritische Infra- gestellungen des boxsportiven Männlichkeitsideal258; die Argumentationsstra- tegie, wonach der Boxer sinnbildhaft die ideale Implantierung von Mechanik und Technik in die Sphäre des Körperlichen repräsentiere und somit ein Muster neuer Männlichkeit darstelle, wird literarisch aufgegriffen und diskursiv atta- ckiert. Das Antlitz des Athleten wird – wie in Wie schreibt man über einen Boxer? – zu einer Grimasse entstellt, von der kein Bedrohungsgefühl mehr ausgeht: „Das Auge ist ametaphysisch;  der Mund entschlossene Synthese aus Gleich- mut und Lässigkeit. Die Nase geballtes Erstaunen.“259 Muskelanatomie und Gesichtsphysiologie dominieren und definieren Erscheinung und Einstellung des Boxers; geringe semantische Verschiebungen erzeugen Wirkungen des Gro- tesken: Kräftig und gesund, so präsentiert Joseph Roth in Heimkehr eines Boxers den aus der Ferne in die Heimat zurückgereisten Athleten, „mit dem harmlosen, heiteren, breiten Lächeln, das nicht vom Gemüt zu kommen scheint, sondern unmittelbar von der Muskulatur, der Ausdruck nicht so sehr einer individuellen Zufriedenheit wie einer gattungsmäßigen“260. Das „Lächeln der Riesen“261, so Roth weiter, stehe deshalb in direkter Wechselbeziehung mit den Körpermus- kelbergen der Boxer: „Sie lachen einfach, weil sie so stark sind.“262 Die Relati- vierung und Revision des mit Boxen unverkennbar in Verbindung stehenden Virilitätswahns geht damit einher. „Deutschland ist in Not“, urteilt ein Ring- zuschauer in Die große Sache, „da kommt es auf Männer an.“263 Der athletische Männlichkeitsentwurf, der in den 1920er-Jahren kollektive Weihe erhält, wird von Ernst Krenek buchstäblich in Trompe-l’œil-Manier offengelegt: Im Furor entledigt sich der Boxer Ochsenschwanz in Schwergewicht oder Die Ehre der Na- tion seiner Kleider, „wobei sich herausstellt, daß Hemdbrust, Kragen und Krawatte nur Attrappen sind, direkt an den Rock angearbeitet. Er hat darunter ein farbiges Trikot an, das gewaltige Körperformen andeutet.“264 Alvarez, der als übermächtig dargestellte Gegner des Boxers Brüstung, wird in Die große Sache ebenfalls diffa- miert265; er erleidet Herabsetzung im wahren Sinn des Wortes: „Jeder der beiden 257 Mann 1972, S. 37 258 Vgl. Breitbach 2006, S. 458f 259 Kuh 1963, S. 72 260 Roth 1991a, S. 104 261 Ebd. 262 Ebd. 263 Mann 1972, S. 136 264 Krenek 1974, S. 180 (Hervorh. im Orig.) 265 Vgl. Mann 1972a, S. 144 201 Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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