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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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für Ablenkung sorgen; Brecht greift dafür auf das Sinnbild der therapeutischen Wirksamkeit von Kälteeffekten zurück, die kurativen Schauder auslösen sol- len.24 Boxen dient Brecht nicht allein dazu, tendenziöse Wirkungsabsicht im Topos des Faustkämpfens zu verankern. Dem Modus der anklagenden Argu- mentation fühlt sich der Autor nicht verpflichtet. Dem erweiterten diskursiven Bereich des Boxens nimmt sich Brecht auch in dem Gedicht Verschollener Ruhm der Riesenstadt New York an. Am 24. Oktober 1929 brechen an der New Yorker Börse die Wertpapierkurse zusammen – der Autor reagiert darauf mit der satiri- schen Enthüllungskraft des Topos Boxen. „Was für Menschen!“, notiert er: „Ihre Boxer die stärksten!“25 Und weiter, mitten in der Hochkonjunktur des Boxens in den USA: „Noch finden Weltmeisterschaftskämpfe vor ein paar zerstreut / sitz- engebliebenen Zuschauern statt: // Der jeweils stärkste Mann / Kommt nicht auf gegen das geheimnisvolle Gesetz / Das die Menschen aus den gestopft vol- len Läden treibt!“26 Die Disparatheit der Epoche findet sich in der Disparatheit des Boxens wieder; Boxen besteht für den Autor aus regelrecht zirkulierenden Diskurs- und Praxissplittern. Brecht nimmt sich der Unübersichtlichkeit des Boxens dankbar an. Deshalb greifen auch jene Analysen zu kurz, die Brechts Boxleidenschaft im Sinne von Motivuntersuchungen in den Mittelpunkt rü- cken. Wolf-Dietrich Junghanns hat aus gutem Grund die engeren Bahnen der Brecht-Forschung bereits 1998 verlassen und die Boxbefassung des Autors in unterschiedliche Interpretationsbereiche gegliedert: Attitüde des Bürgerschrecks und des Machismo […]; […] Faszination des moder- nen, großstädtischen Amerikas […]; […] Neid des Theatermachers auf die An- ziehungskraft der Boxarenen und das Masseninteresse an Sportveranstaltungen, die wirkliche Dramen boten[;] […] Bewunderung für die vorbildlich sachkundig und kritisch urteilenden Zuschauer […]; […] Boxgeschäft als Lehrstück kapita- listischer Ökonomie; […] Zweikampf-Konstellation, die eine Dramatisierung von Klassenkämpfen gestattete; […] Box-‚Ring‘ als ein der Bühnen vergleichbare[r] theatralischer Ort.27 24 Der Philosoph und Publizist Theodor Lessing wird vier Jahre später, 1926, eine Psychologie des Rauchens entwerfen, in der er dem Boxer, der zum Entscheidungskampf antritt, einen „Zug aus der Zigarette“ nahelegt: „Man könnte glauben, dieses sei nur ein schöner Gestus. Er solle besa- gen:  ‚Du siehst, ich bin furchtlos. Ich habe meine Nerven beisammen. Mir ist alles Wurst.‘ Aber es handelt sich um mehr. Rauchen ist wirklich das einzig mögliche Mittel, um Leidenschaften zu unterdrücken.“ (Lessing 1986, S. 142) 25 Brecht 1988a, S. 247 26 Ebd., S. 249 27 Junghanns 1998, S. 56 240 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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