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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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sonstiges Unkraut, das einen hindert, seine Form zu finden“51. Zur Nützlich- keitsmaxime des Boxens bekennt sich Thiess auch noch 40 Jahre später in Kör- perliches Training – geistiges Training vorbehaltlos: „Selbst schwere Krankheiten hatte mein Körper in größter Geschwindigkeit abgeschüttelt, schlaflose Nächte mich folgenden Tags nicht mehr spüren lassen und mich allmählich gegen alle Temperaturunterschiede abgehärtet.“52 Boxen wird von Thiess zu einer Schule des Standhaltens simplifiziert: „Erst als ich etwa vierhundert Übungen konnte […], stellte [der Boxtrainer] mich vor den Doppelendball und lehrte mich die Anfangsgründe dieses schwersten aller Sports.“53 In der 1966 publizierten Re- miniszenz berichtet Thiess auch von beachtlichem Leistungsvermögen: Er habe sich 1925 alle Übungen notiert, „insgesamt über 1200 einschließlich Geräte, Medizinball, Hanteln und Arbeit an der Sprossenwand“54. Thiess konfiguriert das spezifische Lebensgefühl des Athletischen auf der „Achse der gärenden Zeit“55 als optimale Akkumulation körperbetonter wie lebenskämpferischer Be- reiche: Duell, Disziplin, Konzentration, Körperdurcharbeitung, Lebenskampf- bewährung, Fairplay, Risikobereitschaft. „Und ich kann erst recht nicht boxen ohne schärfste geistige Sammlung“56, so Thiess in Dichter sollten boxen: „Wer auch nur zwei Runden im Ring gestanden hat, weiß, daß seinem Gehirn eben- soviel zugemutet wird wie seinen Fäusten. Ich kann, während ich trainiere, auch nicht vor mich hin dösen, sondern ich muß angespannt an die betreffende Leis- tung denken, wenn ich will, daß sie Erfolg haben soll.“57 Brecht wendet sich vehement gegen diese inflationär in Anschlag gebrachte Rechtfertigung athletischer Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit: Sport und Sport- treiben wird von Thiess ein hoher funktionaler und hygienischer Gebrauchswert zugestanden; Selbstbezwingungsapparaturen und Mitturnorgien sind positiv be- setzt; der Bereich des Geistigen scheint mit jenem des Körperlichen allein aus Rentabilitätsvermutungen verbunden; soziale Implikationen, psychophysiologi- sche Überlegungen sowie das Spannungsfeld von Wissen und Selbstbestimmtheit scheinen weitestgehend suspendiert – jene Form des Wissens, das laut Foucault „unbewusste[n] Strukturen, die uns beherrschen“58, gehorche. In Herbert Jhering findet Brecht unverhofft einen Mitkombattanten. In dem Text Boxen, 1927 veröf- fentlicht, schreibt Jhering über die Sportzuschauer: 51 Ebd. 52 Thiess 1967, S. 104 53 Ebd., S. 17 54 Thiess 1967, S. 104 55 Thiess 1929a, S. 222 56 Thiess 1996, S. 15 57 Ebd. 58 Foucault 2001, S. 841 245 „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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