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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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formanz“133, die von kompetitivem Wettstreit und auffallendem Abstand zum Alltagsverhalten geprägt ist.134 Der Duelltanz zeichnet sich ferner dadurch aus, dass den Akteuren im Ring eine beträchtliche Zahl von Zuschauern gegenüber- steht: „So hat der Boxkampf etwas von einem Drama, an dem das Publikum selbst teilnimmt, […] mittriumphiert oder mitverliert.“135 Indem Brecht Boxen mit der Performativität des Theaters kurzschließt, schafft er einprägsame und exemplarische Bilder von Körperlichkeit, die einerseits „unmittelbar im Feld des Politischen“136 stehen; andererseits verweist er durch die Aufforderung des ge- nauen Hinsehens mit Nachdruck auf die Durchformung und Materialität des Körpers, die mit einer grundlegenden Ästhetik des Selbst in enger Verbindung stehen: Der Boxer formt und diszipliniert seinen Körper – und zugleich seine innere Konstitution. Die Performativität des Boxens veranschaulicht die Inkor- porierung der Selbstsorge und des Selbsttechnologischen. Das dürfte einer der konzeptionellen Gründe dafür sein, weshalb Brechts Erzählen über das Boxen weitestgehend im Zeichen der Bühne steht. In seiner Mischung aus Körperschulung, Leibesertüchtigung, zirkusmäßiger Ästhetik und Artistik kommt Boxen auch immer einem Spiel von Exhibitionis- mus und Voyeurismus gleich.137 Boxen als „type of dramatic performance, analogue to extreme theatrical moments“138 hält die performativen Komponenten qua Ge- schwindigkeit, Kraftpräsentation, Betätigungsdrang und Gewandtheit bereit. Der Ring erscheint als ein der „Bühne vergleichbarer theatralischer Ort“139: Die Phä- nomene von Schlachtenbummelei und Schaulust finden sich im Boxen mit sport- lichen, schauspielerischen und sozialen Aspekten synthetisiert; Zuschauerbindung, kraftsportliches Zusammenprallen und kollektives Zusammensein gehen Hand in Hand und offenbaren „Strategien von Kräfteverhältnissen“140, die im erweiterten Umfeld der boxsportlichen Praxis sichtbar werden. Brecht ist einer der ersten Auto- ren in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, der den bühnenartigen Auf- führungscharakter des Boxens erkennt und neu akzentuiert. „Das alte Theater“, stellt Brecht 1926 in Mehr guten Sport fest, habe „kein Gesicht mehr.“141 „Es geht hier kein Wind, in kein Segel.“142 Das Signal an die Zeitgenossen, vertraut mit marinetech- 133 Gumbrecht 2005, S. 55 134 Vgl. ebd.; Holtemayer 2005, S. 82 u. Görtz 1996, S. 347 135 Heckmann 1996, S. 124 136 Foucault 1977a, S. 37 137 Vgl. Baur 1976, S. 139; Becker 1993, S. 235; Kohr, Krauß 2000, S. 12; Korte 1993, S. 37–86 138 Hoberman 1984, S. 7 139 Junghanns 1998, S. 56 140 Foucault 1978, S. 123 141 Brecht 1992c, S. 120 (Hervorh. im Orig.) 142 Ebd., S. 121 255 „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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