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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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sicher gemerkt, was ich mir heute denke: daß er mich nämlich durchaus nicht etwa so schnell wie möglich totschlagen wollte, sondern eher so langsam wie möglich. Er konnte sich nicht einfach seiner Mordlust hingeben, sondern er war verpflich- tet, auf sein Publikum Rücksicht zu nehmen, das einen Kampf sehen wollte. Er gab mir also immer genügend Zeit, wieder ein wenig auf die Beine zu kommen, worauf er dann wieder seine Kunst zeigte.243 Brecht zieht die Möglichkeit der Wehrhaftigkeit des Individuums gegen die „Übermächte der Gesellschaft“244 in Zweifel; Boxen dient dem Autor auch hier als ein spezifisches Mittel zu Individualisierung und Individuation. Sam- son-Körner klagt nach dem Kampf: „Nach diesen zwei Runden war ich lebens- müde wie ein Hundertzwanzigjähriger, lag auf meinem Rücken in einer Ecke und wünschte den Tod herbei.“245 Bagatellisierung des Lebenskampfs Boxen als Bildspender für Gegenkultur und Antibürgerlichkeit, der Sportler als Personifizierung von Halbwelt und dunklem Schicksal – das markiert allen- falls den Beginn von Brechts Beschäftigung mit Boxen als „direkte[m] Zwei- kampf“246; die „uneingeschränkte Anerkennung“247 des Autors findet die der- art definierte Art des Boxens, wie auch oben dargestellt, nur für kurze Zeit. Zählt Brecht die „sportlich gewitzte Verwendung der Körperkraft“248 in der Frühzeit der Weimarer Republik noch zu den Möglichkeiten, sich im „Groß- stadtdschungel zu behaupten wie auch gegen Fremdbestimmung und blinden Schicksalsgehorsam zu revoltieren“249, erteilt er der Definition der Schwerath- letik als Lebenskampf bald eine Absage; der körperliche Kampf wird in den späteren Schriften Brechts nicht mehr als ein exklusives Phänomen bestaunt. Über jenen Automatismus, wonach Boxen mit der Machbarkeit von Lebens- glück korreliere, runzelt der Autor, die boxsportlich ungetrübte Hochstimmung seiner Zeitgenossen relativierend, deshalb auch die Stirn: Boxen erscheint bei Brecht als eine von Zufall und Unplanbarkeit perforierte Tätigkeit, als ein auf beträchtliches Abstraktionsniveau eingedämpftes Tun: Der Wettkampf ver- 243 Ebd., S. 224 (Hervorh. im Orig.) 244 Simmel 2006, S. 7 245 Brecht 1997b, S. 224 (Hervorh. im Orig.) 246 Berg 1995, S. 134 247 Witt 1996, S. 216 248 Müller 2004, S. 69 249 Ebd. 269 „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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