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Geld.“441 Den Zumutungen der modernen Wirtschaft begegnet Samson-Kör-
ner mit Spruchweisheit, da er auf andere monetäre Maximen noch nicht zurück-
greifen kann:
Aber das Schlimmste ist, daß jedes Ding, wenn man es genau betrachtet, seine zwei
Seiten hat, und zwar ist es meistens eine Seite, die mehr oder weniger bezahlt wird,
und eine Seite, die einen Haufen Geld kosten kann. Aus diesem Grund ist es sehr
wichtig, daß man jedes Ding nach dieser Seite hin betrachtet.442
Boxen erweist sich im Lebenslauf bald als ein Nebenphänomen merkantiler Kal-
kulation. Von den erwähnten Offizieren an Bord, um deren Betten und Schuhe
sich der junge Samson-Körner zu kümmern hat, wird der Schiffsbursche fort-
laufend gedemütigt und gequält; nach langem Erdulden gerät Samson-Körner
dann in Rage443; wie ein bereits im Hinnehmen von Schlägen geschulter Boxer
reagiert er nach langem Zögern auf den Affront. Samson-Körner erläutert die
von ihm angewandte Ökonomie von Wut und Faustschlagen:
Am Schluß genügt eine Fingerbewegung von deinem Mann und du wirfst ihn an
die Kombüsenwand. Diese Methode ist viel besser, als wenn man mit kaltem Blut
zuschlägt. Die meisten Rohheiten, die ich gesehen habe, sind durch zu kaltes Blut
entstanden, nicht durch zu heißes. Wenn ich es blindlings gemacht hätte, hätte ich
nie wissen können, ob ich nicht gerade zornig geworden wäre, wenn kein Mensch
sonst dabei gewesen wäre, und dann wäre es ganz umsonst gewesen. So aber konnte
ich es einrichten, daß genug Leute dabei waren, und einfach im günstigsten Mo-
ment loslegen.444
Samson-Körner gelangt zu dem Schluss, dass es nicht unbedingt darauf an-
komme, sich durch Körpertraining und Muskelformung gegen Katastrophen je-
der Art zu wappnen. Es sei, stellt er den Zwang zur boxsportlichen Kraftmeierei
in einen deutlich ökonomisiert-wertsteigernden Zusammenhang, „das wichtigste
im Leben, daß man in Betracht“445 komme:
Es ist das wichtigste im Leben, daß man in Betracht kommt. Aber noch besser als
das, daß ich darauf kam, wie gut es ist, wenn man stark ist und sich darüber nicht
441 Ebd.
442 Ebd., S. 216
443 Vgl. ebd., S. 226f
444 Ebd., S. 227
445 Ebd. (Hervorh. im Orig.) 293
„Zeitfigur“
im
Ring:
Brechts
Diskurserweiterungen
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440