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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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sigkeit des Sports als Körper- und Kampfshow beschäftigt ihn allein in Form ironischer Durchkreuzung der übersteigerten Publikumserwartungen. Der ana- lytische Schluss, Musil habe seinen Protagonisten nachgerade eine „komplette Boxtheologie mit auf den Weg“179 gegeben, scheint dennoch überdeterminiert, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Abneigung des Autors gegen die quasi religiöse Funktion des Sports: Die Mutproben von Jugendlichen werden von Musil bereits in Die Amsel im Modus entlarvender Übertreibung als „Her- ausforderungen Gottes“180 dargestellt. Im Mann ohne Eigenschaften entfernt sich die Theologie-Tangente desgleichen vom Faustkampf-Themenkern181: Boxen, behauptet Ulrich, nachdem er sich „in Eifer“182 geredet hat, sei eine „Art von Theologie“183; von der neuen Großreligion, die auf dem Glaubensbekenntnis des sportiven Gegeneinanders gründet, könne man aber noch nicht verlangen, dass sie „schon allgemein eingesehen werde“184. Boxen als eine dem „aufgeklärten Zeitalter gemäße Form der Unio mystica“185 führt Musil qua diskursiver Zer- splitterung ad absurdum; in die pseudoreligiöse Konnotation des Faustkämpfens als einem freiwillig verordneten Kollektivismus lässt der Autor das innengelei- tete Subjekt als gezielte Subversion einbrechen. Musil konfrontiert die gängigen Beschreibungskonventionen des Boxens mit der punktgenauen Verwendung ironischer Motive und satirischer Tonlagen. Bei näherer Betrachtung erweist sich die von Ulrich begründete Boxtheologie im Mann ohne Eigenschaften näm- lich als ein Mosaik fahler Farben, als „zeitgenössischer Ersatz ewiger Bedürf- nisse“186, verwandt mit „verlorengegangenen Erlebnissen“187. Die Boxreligion konterkariert Musil mit dem Unerforschlichen, dem Raunenden jeder Religion. Musil literarisiert zudem den „Schein-Sport der Medien“188 und den sprung- haften Anstieg der Beliebtheit des Boxens in Zeitungen und Zeitschriften mit „Millionen Zeitungslesern, die seit einigen Jahren in allen Zungen des babyloni- schen Sportturms reden lernen“189; der Zeitgenosse lese, bemerkt Musil in Durch die Brille des Sports, ohnedies „viel mehr vom Sport […] als von der Theologie“190, 179 Kohtes 1999, S. 64 180 Musil 1978d, S. 548 181 In einem frühen Entwurf zum Mann ohne Eigenschaften findet sich noch die Überschrift „Theo- logie und Boxen“, vgl. Musil 1989b, S. 1973 182 Musil 1989a, S. 29 183 Ebd. 184 Ebd. 185 Kohtes 1999, S. 63 186 Musil 1989a, S. 29 187 Ebd. 188 Berg et al. 1981, S. 225 189 Musil 1978b, S. 798 190 Musil 1978e, S. 793 326 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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