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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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In einer Variante von Durch die Brille des Sports verdeutlicht Musil noch ein- mal seine Skepsis gegenüber dem Boxen als kollektivistischem Erlebnisbereich. Überhaupt sollte man, so Musil in dieser Version, „nicht zu sehr dem Sport das Feigen-Familienblatt vorhängen“238. Mit der ätzenden Schärfe des Skeptizis- mus reagiert Musil auf den rauschhaften Begeisterungstaumel des Publikums, das, so der Autor in Kunst und Moral des Crawlens, „fast mechanisch auf äußere Reize“239 anspricht – und im Boxer eine beispielgebende Figur erkennen will. Es mag schon so sein, verdeutlicht der Erzähler in Durch die Brille des Sports einmal mehr die komplexe Konstellation des Boxens, „daß zwei Boxer, die sich gegenseitig wund schlagen, dabei füreinander Kameradschaft empfinden, aber das sind zwei, und Zwanzigtausend schauen zu und empfinden ganz etwas an- deres dabei“240. Musil entlarvt die Faszinationskraft des sportlich-zirzensischen Spektakels als Entwicklungsfolge einer Gesellschaft, die kollektivistisch durch- strukturiert scheint und in der Figur des Boxers zugleich maßlos überhöht, was das Gros der Ringzuschauer vorgeblich-vergeblich anstrebt: Gewinnsucht, Re- kordsucht und die Aufstiegswünsche in die Sphären sozialen und monetären Erfolgs. Die regelrechte Aufblähung des Athletischen setzt der Autor in Durch die Brille des Sports auf realistisches Maß herab: Wahrscheinlich ist aber gerade das Zuschauen von einem Sitzplatz aus, während andere sich plagen, die wichtigste Definition der heutigen Sportliebe, und diese wird immer vernachlässigt. Das gleiche ist im verkleinerten Maßstab auf den Sportplätzen der Fall.241 Musil legt die unterschiedlichen „Rechtfertigungsstrategie[n] des Zuschau- ers“242 und die damit eng einhergehende Hyperkommerzialisierung des Boxens offen. Erregung und Vergnügen des Boxens, bemerkt er – und nimmt damit Norbert Elias’ Überlegungen zur historiografischen Zivilisierung sportlichen Wettkämpfens vorweg –, stünden mit der Wettleidenschaft, die im frühen 18. Jahrhundert in die Faustkampfwelt einzusickern beginnt, in enger Verknüp- fung.243 Erst die systematisch-regelkonforme Verwendung von Boxhandschu- hen im Ring gestatte es aber, so Musil, das Schauspiel des Boxsportfechtens als einen zugleich „entscheidungsoffene[n] und entscheidungseindeutige[n] Wett- 238 Musil 1978ee, S. 1771 239 Musil 1978g, S. 698 240 Musil 1978e, S. 794f 241 Ebd., S. 795 242 Baur 1976, S. 142 243 Vgl. Elias 1984, S. 26; vgl. Luckas 2002, S. 183 332 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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