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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Die Nervenbahnen, auf denen der Wille sich in Körperbewegung umsetzt, werden eingefahren, bis sie mit kleinster Reibung reagieren. Das Resultat ist Entschlußfähig- keit. Sehnen, Muskeln, Nerven, Knochen werden an das Bringen von Kraft, an Kalt- blütigkeit, Kontrolle, Tempo, Durchhalten, Steigerung, an wurfartige Verdichtungen des Antriebs und jene plötzlichen Explosionen der Muskelstränge gewöhnt.386 Technisierung und Körper-Geist-Instrumentalisierung werden im Training von Wiederholung und von „großen Prozeduren der Unterwerfung“387 dominiert. Boxer und Muskelformungsapparat sollen förmlich verschmelzen. Training als eine „Technologie des Selbst“388 setzt auch direkt am Körper des Boxers an und bezieht die Komponenten von Kampf und Kraft, Disziplin und Konzentration mit ein. „Den Flaneur Musil“, bemerkt Hanns-Marcus Müller, „führen seine Spaziergänge auch in die Trainingshalle der Boxer.“389 (Wo er selbstredend, ge- nauso wie Brecht, nicht allzu lange verweilt; Boxen untersuchen diese Autoren vor allem in den Dimensionen des Diskursiven, das von körperkulturellen Im- plikationen geprägt ist: Wohl allein auf diese Weise lässt sich das Phänomen Boxen einer schonungslosen analytische Durchdringung unterwerfen.) Musil definiert Training aber keineswegs als ein Phänomen reiner Körper- und Ei- gendressur mit dem Ziel individueller Selbsterhöhung. „Der aktive Sportsmann: Stoppuhr, Metermaß. – Allerdings sonderbares Wohnen in einem solchen Kör- per“390, distanziert er sich in einer Textvariante von Durch die Brille des Sports: „Aber welche Stupidität im Training. Welche Wiederholung, Schulzwang und -öde.“391 Musil bremst auch die Dynamik des steten Vorwärts als Teil der Trai- ningsversprechungen ein. Die durch Training erstrebte Selbstglorifizierung macht der Autor als ein Ausdruck suggestibler Größe sichtbar, der sich in den allenthalben wirksamen Gigantismen des Weiter, Schneller und Höher fügt. In Als Papa Tennis lernte scheinen die Auswirkungen regelmäßigen Trainings als eine Form trügerischer Selbstorganisation auf: Auch die Suggestion, die im Erlernen jeder Sache liegt, wenn man sich ihm erst einmal hingegeben hat, darf nicht vergessen werden; hat man etwa hundert Stun- den und Anstrengungen zum Opfer gebracht, so opfert man ihm auch die hun- 386 Fleißer 1989a, S. 318f 387 Foucault 1977, S. 31 388 Foucault 1993, S. 27 389 Müller 2004, S. 130; zum Praxisraum des Gym vgl. Junghanns 1997, S. 145f und Wacquant 2003, S. 22–62; zu den apparativen und technischen Voraussetzungen des Boxtrainings vgl. Ellwanger 2008, S. 138–144; Job 2003, S. 182f; Weinmann 1998, S. 93–96 390 Musil 1978ee, S. 1771 391 Ebd. 350 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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