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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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ausholt, scheint plötzlich eine fremde Gewalt zu ergreifen, ihn mit tollen Fähig- keiten zu durchdringen, sich seiner zu ihrer Sichtbarwerdung zu bedienen. Der Mensch geht sozusagen eine vorübergehende chemische Verbindung mit einem Wesen anderer Dimensionen ein. Diese Verschmelzung kann wie der Blitz von einer ihn anziehenden Spitze durch den in Höchstform arbeitenden Körper aus- gelöst werden. Sie ist die höchste natürliche Form von Tätigkeit, die wir beim Menschen kennen.445 Nur wenig später, 1932, macht sich auch der Journalist Rolf Nürnberg Gedanken über das Zusammenwirken von Körper und Geist. Die Passage aus der Biografie Max Schmeling illustriert, wie weit Fleißer sich der Idee von der leibseelischen Durchformung des Menschen im Unterschied zu vielen ihrer Zeitgenossen be- reits angenähert hat; Nürnberg schreibt: Ein halbes Jahrhundert oder ein ganzes hat den Körper vernachlässigt. Um ihn zu retten, kann man die Verrohung wählen, die Rückbildung. Dann wäre der Geist sein Gegensatz. Dann müßten auch die Völker sich immer wieder zerfleischen. Oder der Geist ergreift die Drähte, an denen die Muskelkraft spielt. Der Muskel wird Instrument des Gehirns. Der Körper wird zum Ausdruck und zum Saldo der Persönlichkeit. Seine Mittel werden nicht zu einem Klumpen summiert, sondern nach den Entscheidungen der obersten Kammer eingesetzt. 446 Fleißer unterstreicht die Möglichkeit, die Geschichte des Sports in der Zeit der Weimarer Republik als eine Funktion diskursiver Wechselwirkungen zwischen Sport, Gesellschaft und individuellem Erleben darzulegen. In einer früheren, leicht überarbeiteten Version von Sportgeist und Zeitkunst spricht Fleißer davon, dass der moderne Menschentyp ein „Bruder des Blitzes“447 sei.448 Musils psy- 445 Fleißer 1989a, S. 319 446 Nürnberg 1932, S. 27f 447 Fleißer 1980, S. 76 448 Jahrzehnte später, 1957, macht sich Roland Barthes in Die Tour de France als Epos auf die Suche nach dem Zusammenwirken von Körper und Geist im Sport; unkontrollierbare Kräfte, etwas geradezu Fluides, so Barthes, strömten im Moment der Höchstleistung durch die Sportler – in diesem Fall Radsportathleten: „Die Kraft, die der Fahrer besitzt, […] kann zwei Aspekte an- nehmen:  die Form, eher ein Zustand als ein Elan, privilegiertes Gleichgewicht zwischen den Qualitäten der Muskeln, der Schärfe der Intelligenz und der Willensstärke, und der ‚jump‘ (der ‚Sprung nach vorn‘ – d. Übers.), ein wahrer elektrischer Stromstoß, der ruckartig bestimmte, von den Göttern geliebte Fahrer erfasst und sie dann übermenschliche Leistungen vollbringen lässt.“ (Barthes 1986a, S. 28; Hervorh. im Orig.) Der jump, schreibt Barthes, setzte eine „übernatürliche Ordnung“ (ebd.) voraus, in welcher der Mensch siege, „wenn ein Gott ihm“ (ebd.) helfe. 357 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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