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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Wälder geflüchtete und später von Magenschlag aufgespürte Geistesmensch Denk kommentiert von seinem verborgenen Beobachtungsposten im Baum das Zusammensein der Verliebten Tempora und Faust indes unverblümt: „Ein Rie- senkalb mit einem noch riesigeren Schlächter!“578 Erst in Ulrich im Mann ohne Eigenschaften scheinen die psychotechnischen Prozesse und Verhaltensmuster verinnerlicht, die beim Dreschen auf einen Punchingball oder im Straßenkampf reflexartig abrufbar sein müssen. In Durch die Brille des Sports und im Mann ohne Eigenschaften stellt Musil schließlich eine annähernd gleichlautende Frage. Dür- fen Genies aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften, verstanden als das Zu- sammenwirken von Kraft, Geist und Seelenzustand, genial genannt werden?579 Musil rückt selbst die „Geniefrage in den Kontext der Psychotechnik“580. In deutlicher Überbetonung des neusachlichen Tatsachenfurors stellt er fest, dass, wollte man genau sein, nichts anderes übrig bleibe, als den „Begriff des Genies psychotechnisch zu normen“581. Was auf dem widerspruchsfreien Feld neusach- licher Funktionszusammenhänge vielleicht funktioniert, wird bei Musil zum of- fenen ironischen Widerspruch. Der Hauptbestandteil des Genie-Begriffs, schreibt Musil in Durch die Brille des Sports, sei das Unvergleichliche und dieses läßt sich natürlich auf Geschwindigkeiten, Mus- keln, körperliche Treffsicherheit udgl. eindeutiger anwenden als auf geistige Leis- tungen. Andere Bestandteile, wie Kampfmut, Genauigkeit der Arbeit, Ehrgeiz, Konzentration, Wendigkeit, wichtige Kombinationsgabe vor auftauchenden Hin- dernissen, das heißt Urteilsfähigkeit und Assoziationsgeschwindigkeit finden sich in Brust und Gehirn eines genialen Rennpferdes genau so entwickelt wie in denen eines Dichters. Die eindringende Psychotechnik wird nur einen einzigen Unter- schied bestehen lassen: den der Zusammenfassung dieser Fähigkeiten zu der Art der Leistung und der Person. Aber unter den Leistungen sind es heute schon die körperlichen, die fast allen Menschen Vergnügen machen, was man von den geisti- gen nicht sagen kann, und was die Personen angeht, so hat man sich eben von den menschlichen zu den pferdlichen gewandt, weil man über die ersteren nicht einig werden konnte. Ich glaube, die Pferde werden es bald satt haben, Semiramis und Charlemagne zu heißen, oder höchstens es beibehalten, um einen Pferdekalender zu stiften, nach dem man unsere Enkel benennen kann.582 578 Ebd., S. 560 579 Vgl. Musil 1978e, S. 794; Musil 1989a, S. 44f 580 Fleig 2008, S. 257 581 Musil 1978e, S. 794 582 Ebd. 370 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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