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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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che und automatisierte Bewegung, mechanisierte und von Reflexion entkoppelte Leibfunktionen kommen idealtypisch zum Ausdruck: Der Boxer als Tat- und Tatsachenmensch tritt im grellen Licht der Scheinwerfer in einen „anderen Zu- stand“603 – einen Ausnahmezustand. Im psychotechnisch untermauerten Blick auf die Felder vital funktionierender Leiblichkeit und geistiger Fle x i bilität ge- staltet Musil, abseits des obligaten Sportbegeisterungstaumels, einen Betrach- tungsrahmen, der die Spannungszustände moderner Sportpraxen einbezieht: „Dass es im Mann ohne Eigenschaften an Verknotungen, Verstrickungen und Verschlingungen fehlte, die nach traditionellem Verständnis unverzichtbar zu einer Fabel gehören, wird man also kaum behaupten können“604, protokolliert Inka Mülder-Bach in ihrer Studie. „Überall juckt und zuckt, zerrt und reißt es in Nähten, Stricken und Fesseln. Das Problem scheint eher darin zu liegen, dass es unzählige Verwicklungen gibt, die ihrerseits alle irgendwie zusammenhän- gen, und dass ihr Zusammenhang so unermesslich kompliziert ist, dass es kein Durchkommen gibt.“605 Ein Boxschlag kann gemäß Musil als Schmerz und Kränkung – oder als Ausdruck von Sportlichkeit verstanden werden. Im Mann ohne Eigenschaften schreibt er: Ganz einfach gesprochen, man kann sich zu den Dingen, die einem widerfahren oder die man tut, mehr allgemein oder mehr persönlich verhalten. Man kann einen Schlag außer als Schmerz auch als Kränkung empfinden, wodurch er unerträglich wächst; aber man kann ihn auch sportlich aufnehmen, als ein Hindernis, von dem man sich weder einschüchtern noch in blinden Zorn bringen lassen darf, und dann kommt es nicht selten vor, daß man ihn überhaupt nicht bemerkt.606 Jedes Erlebnis, führt Musil weiter aus, erhalte seine „Bedeutung […] erst durch seine Stellung in einer Kette folgerichtiger Handlungen“607 verliehen. Mu- sil räumt dem scheinbar Einfachen eines Boxschlags, das sich bei genauerem Hinsehen als eine Folge komplexer Zusammenhänge erweist, entscheidenden Einfluss ein: Erstaunlicherweise nenne man das, rätselt er im Mann ohne Eigen- schaften, „was man beim Boxen als überlegene Geisteskraft empfindet, nur kalt und gefühllos, sobald es bei Menschen, die nicht boxen können, aus Neigung zu einer geistigen Lebenshaltung“608 entstehe. In seinem Schreiben über den 603 Musil 1989a, S. 755 604 Mülder-Bach 2013, S. 240 605 Ebd. 606 Musil 1989a, S. 149 607 Ebd. 608 Ebd.; für Norbert Christian Wolf entspringt diese Bemerkung des Erzählers im Mann ohne Eigenschaften dem Umstand, dass die „intellektuelle Befähigung zu kühler, distanzierter und von 373 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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