Seite - 377 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Bild der Seite - 377 -
Text der Seite - 377 -
tüchtig Agathes Ehemann Hagauer sei626; Ulrichs nächtlicher Fight mit den
drei Räubern, so Wolfgang Rothe in Sport und Literatur in den zwanziger Jahren,
stelle die „einzige, obendrein ironisch gesehene sportliche Leistung“627 Ulrichs
dar; eine dezidiert positive Einstellung zu betonter Körperlichkeit ist bei Ulrich
zum letzten Mal als Fähnrich in einem Reiterregiment vorhanden628:
Er ritt Rennen, duellierte sich und unterschied nur drei Arten von Menschen:
Offiziere, Frauen und Zivilisten; letztere eine körperlich unentwickelte, geistig
verächtliche Klasse, der von den Offizieren die Frauen und Töchter abgejagt wur-
den.629
Boxen erscheint für Ulrich auch an dieser Stelle als eine Art Relais zwischen
Körper und Geist, Innen und Außen, das zudem durch Foucaults „dringende
Anforderung“630 motiviert scheint: Ulrich „befand sich in dem schlimmsten
Notstand seines Lebens“631. Und Ulrich fragt sich, ob große Prüfungen das Vor-
recht großer Naturen seien:
Er hätte gerne daran geglaubt, aber es ist nicht richtig, denn auch die simpelsten
nervösen Naturen haben ihre Krisen. So blieb ihm eigentlich nur in der großen
Erschütterung jener Rest von Unerschütterlichkeit übrig, den alle Helden und
Verbrecher besitzen, es ist nicht Mut, es ist nicht Wille, es ist keine Zuversicht,
sondern einfach ein zähes Festhalten an sich, das sich so schwer austreiben läßt wie
das Leben aus einer Katze, selbst wenn sie von den Hunden schon ganz zerfleischt
ist.632
In dem Kapitel Die beiden Bäume des Lebens und die Forderung eines Generalsekre-
tariats der Genauigkeit und Seele des Mann ohne Eigenschaften gelangt Ulrich zu
der Einsicht, dass er ein „unbeschädigtes Verständnis dafür in sich“633 trage, dass
das „Leben ein derber und notvoller Zustand sei, worin man nicht zu viel an das
Morgen denken dürfe, weil man genug Mühe mit dem Heute“634 habe. Ange-
626 Vgl. ebd., S. 79
627 Rothe 1981, S. 150
628 Vgl. Musil 1989a, S. 35f
629 Vgl. ebd., S. 36
630 Foucault 2003, S. 393
631 Musil 1989a, S. 257
632 Ebd.
633 Ebd., S. 591
634 Ebd. 377
Primat
der
Reflexion:
Musils
Reorganisation
des
Boxens
|
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440