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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, die sich ebenfalls den in „unentwirrbarer Mischung“659 realisierten ökonomischen, sozialen und kulturellen Diskursen zu stellen hatten, flüchtet Musil vor der „Unfaßlichkeit des Ganzen“660 aber weder ins Superlativische, welches Boxen auch immer offeriert, noch in die banalisierte Empirie neusachlichen Denkens mit seiner Faktenpräferenz, die im körper- technisierten Fighten, seiner Schemen von Kontingenz und Unberechenbarkeit zum Trotz, aufgehoben scheint. Musil belässt Ulrich auf dem weiten Feld der Ambivalenz. Er stattet den Mann ohne Eigenschaften, der „jedes Abenteuers gewärtig ist“661, zwar mit einem durchtrainierten Körper aus und verleiht Ul- rich so die Insignien des Boxens; seinem Protagonisten verweigert er aber jede umfänglichere Teilnahme und Teilhabe am Boxen. Als sich Ulrich für einen Betrunkenen einsetzt und so die Aufmerksamkeit eines Polizisten erregt, der Ulrich unsanft umfasst, verzichtet dieser auf Gegenwehr662; denn er will sich nicht in einen „aussichtslosen Boxkampf mit der bewaffneten Staatsgewalt“663 einlassen. Die morgendlichen Stöße gegen den Sandsack und der Streit mit den drei Strolchen, in dessen Verlauf Ulrich seine körperliche Kraft im Nachdenken über diese versagt und den er retrospektiv, die Sanftheit des rettenden Dau- nenbettes auskostend, als „Abenteuer“664 bewertet, nimmt Ulrich einerseits zum Anlass verstärkter Selbstreflexion; andererseits scheint er von jeder Partizipation an der kollektiven Feier von Körperaktivität und Leibdynamik ausgeschlossen, die Oberflächenreize forciert und verherrlicht. Auf der einen Seite wird Ulrich von Musil in verlässlich ironischer Grundhaltung in den Nachgelassenen Frag- menten zum Mann ohne Eigenschaften zu einem „Repräsentant[en] der Zeit“665 erhoben, der den sportiven „,Geist des Jahrhunderts‘ ebenso verkörpert wie die innere Entfremdung von ihm“666; auf der anderen Seite scheint es nicht ohne Belang, dass Ulrich nicht aktiv boxt; er wird allenfalls mit der rüpelhaften Mi- litanz dreier Straßenschläger konfrontiert. Ulrich, dem Musil emblematischen Boxerstatus zuteilt, kann sich in der Rauferei auf das Regelwerk des Boxens, auf die abgesicherte Macht- und Spannungsbalance sportlichen Ringringens nicht mehr verlassen. Boxen wird mit Direktheit und Körperlichkeit assozi- iert, fern sportlicher Emphase. Die domestizierte und reglementierte Rauflust wird zu einem Versuchsfeld, um die Teilhabe am modernen Leben auszutesten. 659 Peukert 1987, S. 90 660 Jaspers 1998, S. 100 661 Musil 1989a, S. 46 662 Vgl. ebd., S. 156ff 663 Ebd., S. 158 664 Ebd., S. 25 665 Musil 1970, S. 1595 666 Ott, Tworek 2006, S. 109 381 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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