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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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gefüllte Gummischläuche in die Hand, um den Leib eines Mitmenschen damit krankzuschlagen, und stellt für den einsamen und mißhandelten Leib hinterdrein Daunenbetten bereit, wie es eines war, das in diesem Augenblick Ulrich umgab, als wäre es mit lauter Hochachtung und Rücksicht gefüllt. Es ist das die bekannte Sache mit den Widersprüchen, der Inkonsequenz und Unvollkommenheit des Le- bens. Man lächelt oder seufzt dazu.681 Musil knüpft das Phänomen des Kämpfens in ein Netz diskursiver Positionen, die weit über die Banalität des Boxens hinausreichen. Die auf Konkurrenz und Kräftemessen geschrumpfte Signatur, die in vielen Schriften der Zeit in kom- battantes Pathos kippt und in ideologischen Schemata feststeckt, beschreibt er als eine zentrale mentale Disposition, die in der positiven Ekstase des Denkens aufblitzt. Musil immunisiert Ulrich von vornherein gegen den Verdacht, eine bloße Reflexionsfigur der in den Material- und Menschenschlachten des Ers- ten Weltkriegs verloren geglaubten Prinzipien von Individualismus, körperli- cher Ganzheitlichkeit und leibseelischer Harmonie zu sein; Ulrich präsentiert sich als Lebensathlet, der den extremen Wirkkräften der Moderne ausgesetzt wird. Die öffentlich entfesselte Feier des boxsportlichen Begeisterungsrauschs konterkariert Musil mit Hilfe durchgängiger Ironie, im Sinne eines doppelbö- digen Sprechens: Bonadea ist sich bei der Unterredung mit Ulrich über dessen nächtliches Kampferlebnis etwa nicht sicher, ob „er ernst spreche oder spotte“682, und ob Ulrichs erregtes Sprechen, „verwirrt und hilflos“683, nicht bloßes physio- logisches Resultat einer „Gehirnerschütterung“684 sei. Musil geht auch nicht von den Dominanten Körperschönheit und Körperstärke aus. Ulrich nimmt sich selbst gegenüber eine „Beobachterposition“685 ein, bar jeder „Handlungssicher- heit“686, die sein morgendliches Boxtraining sowie sein „Verlangen nach athleti- scher Vorbereitung des Körpers“687 verheißen. Er empfindet die Gassenattacke zunächst als einen erklärungsbedürftigen Störfall, den er sich als Mischung in- dividualistischen und kollektiven Erlebens zu erklären sucht: Das mache „das Alter“688, so Ulrich, und jener „Zustand einer ungewissen, atmosphärischen Feindseligkeit“689, der unvermeidlich „feindselige Akt[e] gegen seine Umge- 681 Musil 1989a, S. 27 682 Ebd., S. 29 683 Ebd., S. 28 684 Ebd., S. 29 685 Müller 2004, S. 209 686 Fischer 2001, S. 108 687 Musil 1989a, S. 592 688 Ebd., S. 26 689 Ebd. 384 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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