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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Seite - 385 -
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bung“690 setze. Musil zielt aber nicht nur auf den Zusammenhang von indivi- duell-inneren und kollektiv-äußeren Gegebenheiten; es werden noch weitere diskursive Bereiche erfasst: Der Autor pointiert, indem er Boxen als deutliches Modernesignal in Ulrichs Körper einschreibt, seine differenzierte Haltung zur zeitgenössischen Sporterlebnishysterie. Sport ermögliche, selbst in Form einer „unglücklich verlaufenen Schlägerei“691, das temporäre „Glück eines innigen Einsseins“692, den Zustand, wie Musil im Mann ohne Eigenschaften vermerkt, eines „fast unnatürlichen Klarwerden[s] des Körpers“693 – wobei dem Boxen mit den drei Gegenspielern nur untergeordnete Bedeutung zukommt: Trotz seiner am Punchingball eingeübten pantherartigen Stärke und athletischen Ge- schmeidigkeit geht Ulrich im nächtlichen Streit als blutig gehauener Verlierer vom Platz. Statt sich zu wehren, „hatte er, in „Gedanken […] zerstreut und mit etwas anderem beschäftigt“694, einen „Augenblick gezögert“695 und damit „einen Fehler begangen“696, der von Ulrich, verschrammt und verarztet im Bett liegend, schnell und mit „Entzücken“697 ausgemacht ist: Er wollte nicht glauben, daß die drei Antlitze, die ihn mit einemmal in der Nacht mit Zorn und Verachtung anblickten, es nur auf sein Geld abgesehen hatten, son- dern gab sich dem Gefühl hin, daß da Haß gegen ihn zusammengeströmt und zu Gestalten geworden war; und während die Strolche ihn schon mit gemeinen Worten beschimpften, freute ihn der Gedanke, daß es vielleicht gar keine Strol- che seien, sondern Bürger wie er, bloß etwas angetrunken und von Hemmungen befreit, die an seiner vorübergleitenden Erscheinung hängengeblieben waren und einen Haß auf ihn entluden, der für ihn und für jeden fremden Menschen stets vorbereitet ist wie das Gewitter in der Atmosphäre. Denn etwas Ähnliches fühlte auch er mitunter. Ungemein viele Menschen fühlen sich heute in bedauerlichem Gegensatz stehen zu ungemein viel anderen Menschen. Es ist ein Grundzug der Kultur, daß der Mensch dem außerhalb seines eigenen Kreises lebenden Menschen aufs tiefste mißtraut, also daß nicht nur ein Germane einen Juden, sondern auch ein Fußballspieler einen Klavierspieler für ein unbegreifliches und minderwertiges Wesen hält. Schließlich besteht ja das Ding nur durch seine Grenzen und damit durch einen gewissermaßen feindseligen Akt gegen seine Umgebung; ohne den 690 Ebd. 691 Bernett 1960, S. 145 692 Ebd. 693 Musil 1989a, S. 26 694 Ebd., S. 25 695 Ebd., S. 26 696 Ebd., S. 25 697 Ebd., S. 27 385 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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