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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Widerstand zur Anwendung bringt, versucht Bertolt Brecht, der sich in seinen Schriften intensiv mit dem Sport beschäftigt, die Erfahrungswirklichkeit der 1920er-Jahre vor dem Hintergrund der Boxbegeisterung mit ihren immanen- ten Regularien und sporttechnischen Klassifikationen, spezifischen Örtlich- keiten, Institutionalisierungen und diskursiven Ensembles zu fassen. An den modisch-zirkulierenden Boxdiskursfragmenten zeigt er wenig Interesse; Brecht prüft die einzelnen Bestandteile der zeitgenössischen Boxsporthochstimmung nicht isoliert voneinander – er richtet sein Augenmerk explizit auf die sich ver- ändernden, im Boxen manifesten ökonomischen und sozialen Diskursstränge. Brecht stilisiert Boxen weder zum Leitmuster der nahezu inflationär prokla- mierten Aussicht, sich mit Hilfe dieses Sports aus Systemzwängen befreien zu können, noch bringt er Faustkampf als Phänomen in Anschlag, das Wett- kampforientiertheit und Effizienzstreben signalisiert: Boxen wird in einem weitreichenden Denkschritt in die mentalen Hauptströmungen der Zeit ein- gebunden, als ein gewissermaßen zwingendes Resultat fortschreitender Ökono- misierung und den damit einhergehenden sozialpolitischen Umbauten, wobei die weit verbreiteten Topoi des Maschinellen und Mechanischen, ausgebrei- tet in Myriaden von Texten, Hintergrundfarbe sind. Der Mensch gleicht sich dem sprichwörtlichen Gang des Zeitabschnitts nicht lediglich mimetisch an, er wird regelrecht infiltriert: Brecht rückt Boxen in den Mittelpunkt der Epo- chenbühne, indem er in das Modephänomen ein engmaschiges Netz diskursi- ver Komponenten senkt. Auf dem Millimeterpapier der Mentalitäten versucht Brecht, Boxen als eine Art Code zu etablieren, der die Symbole und Zeichen der Zeit – die diskursiven Verzahnungen von körper-, sozial- und wertökono- mischen Ensembles – miteinander kommunizieren lässt: Als einer der wenigen Autoren seiner Epoche transferiert Brecht die mit Boxen diskursiv verbunde- nen Koppelungsverhältnisse körper- und sozialkultureller Ökonomien in die Erzählliteratur. Dabei belässt er der Boxerfigur ihre Ambivalenzen: Es ist für den Autor – am Antibürgerlichen wie am Provokanten gleichermaßen interes- siert – von entscheidendem Vorteil, dass die Athleten habituell mit Attributen des Antibourgeoisen behängt sind. Seine Kritik an dem Sport, in die Brecht Formen von Geschäftemacherei, Sportprofessionalismus und Mediensportge- schichte einbezieht, gipfelt in der Überlegung, Boxen sei nicht mehr imstande, spezifische Daseinstechniken zu vermitteln. Brechts Interesse gilt weniger der Durchformung des Menschen durch Drill und Effizienzdenken; den Trainings- hallen der Boxer bleibt er – zumindest in seinem Schreiben – fern. Er betrach- tet Sport als eine komplexe Organisationsform des Sozialen, in die spezifische wirtschaftliche, soziale, klassenkämpferische, prestigemäßige und massenmäch- tige Diskurs- und Wissensformen hineinspielen. Dabei faszinieren Brecht die durch Boxen exemplifizierten Formen atavistischer Selbstsouveränität ebenso 398 | Zusammenfassung
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂĽberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂĽckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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