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Oswald Redlich (1858–1944) 59
Anschluss, legte Oswald Redlich schließlich sein Amt als Akademiepräsident zurück, laut
eigenen Ausführungen aufgrund eines „schon länger erwogenen“ Entschlusses.130
8.4 Universitätspolitik
8.4.1 Sickel-Nachfolge / Arrangement mit Emil von Ottenthal
Die Ernennung Redlichs zum Extraordinarius für Allgemeine Geschichte und Historische
Hilfswissenschaften im Jahr 1893 ist im Kontext mit der allgemeinen Geschichte des IÖG
zu betrachten. Der Ficker-Schüler Engelbert Mühlbacher hatte bei seinen Ambitionen, in
der Direktion des IÖG Sickels Nachfolger zu werden, sowohl mit dem Misstrauen Sickels
selbst als auch mit Widerstand von klerikaler Seite (er war Mönch gewesen) zu kämp-
fen. Santifaller schilderte frühe Differenzen zwischen Sickel und Redlich. Sickel scheint
das Misstrauen, das er gegen Mühlbacher hatte, auch auf Redlich ausgedehnt zu haben,
dessen Ausweitung der Sickel’schen Methodik auf die Privaturkunden er missbilligte131.
Santi faller zeichnete dennoch, aufgrund der beflissenen Briefe Redlichs an Sickel, ein
Bild, in welchem Redlich mit dem Segen seines verehrten Meisters die Sickel-Nachfolge
antrat.
Dagegen sah Lhotsky die Differenzen Redlichs mit Sickel schon viel früher hervor-
treten als Santifaller. Laut Lhotsky kann die ursprüngliche Nominierung Ottenthals als
Extraordinarius für Historische Hilfswissenschaften (1890) als Versuch Sickels gesehen
werden, seinen Lieblingsschüler gegen Mühlbacher in Stellung zu bringen und Mühlba-
cher dadurch zu entmachten132. Zeißberg habe dabei als „willenloses Werkzeug“ Sickels
agiert133. Dieser Versuch des damals noch amtierenden IÖG-Vorstands scheiterte jedoch
an Widerständen innerhalb des Ministeriums und der Fakultät. Wie aber lief die Rege-
lung der Sickel-Nachfolge 1892/93 ab ?
130 Herbert Matis, Anpassung und Widerstand. Die Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1938–1945
(Wien 1994) 11f., hat Zweifel angemeldet, ob „eine reservierte Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus“
oder aber mehr Redlichs hohes Alter für diesen Schritt verantwortlich gewesen war. Nach allem, was dem
Verfasser bekannt ist, spricht jedenfalls alles dafür, dass diese reservierte Haltung Redlichs tatsächlich exis-
tierte. Dass zusätzlich auch Altersgründe Redlich zum Rückzug motivierten, ist natürlich nicht auszuschlie-
ßen.
131 Santifaller, Redlich (wie Anm. 1)
132 Lhotsky, Geschichte (wie Anm. 3) 203f. Lhotskys Ansicht wird durch einen Brief Redlichs an Mühlbacher
von 1885 bestätigt. Mir hat er ja ohnedies nie ganz Rom und meinen „verewigten Lehrer Stumpf-Brentano“ und
die Nichterwähnung des Instituts usw. vergessen. IÖG-Archiv, NL Engelbert Mühlbacher, Brief Redlichs an
Mühlbacher vom 06.02.1885.
133 Ebd.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625