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62 Johannes Holeschofsky
setzte140. Schon 1926 scheiterte Redlich bei seinem Versuch, seinen Favoriten Steinacker
für die Nachfolge Ottenthals als Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische
Hilfswissenschaften durchzusetzen. Redlichs Intervention für Steinacker scheint Hirsch
sehr ergrimmt zu haben141. 1929 missglückte auch Redlichs Bestreben, als seinen eige-
nen Nachfolger Steinacker zu bestimmen. Hirsch erreichte, dass Redlichs Lehrkanzel,
die durchaus als „Sickel-Nachfolge“ eingestuft werden kann, praktisch aufgelöst wurde.
Hirsch übernahm die Lehrbefugnis für Allgemeine Geschichte, es kam zur Errichtung
eines Extraordinariates für Historische Hilfswissenschaften. Nachdem Hirschs Wunsch-
kandidat Heinz Zatschek aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Zug gekommen war,
erfolgte schließlich die Ernennung Otto Brunners. Der Konflikt Redlich-Hirsch wurde
bereits ausführlich dargestellt. Pavel Kolář hat vorgeschlagen, ihn als methodischen Kon-
flikt zu sehen, während Karel Hruza bei der Partei Hirschs auch politische Motivationen
vermutet142. Nach Kolář habe sich die modernere Hirsch-Schule gegen die „klassisch-
historistische“ Redlich-Schule durchgesetzt, wobei er treffenderweise Redlich als von Mei-
neckes Ideengeschichte beeinflusst beurteilte. Hierzu möchte ich einige Anmerkungen
machen.
Zunächst bemühte sich Hirsch offenbar sehr um die Gunst Redlichs bzw. stand auch
in ihr. Dies beweist ein Brief des jungen Hirsch an Bauer. Weiters schien – als Konkurrent
von Hirsch um die Gunst Redlichs – bereits damals Steinacker auf. Redlich ist der Einzige,
auf den ich mich verlassen kann, und ich wollte wissen, ob er alles, was Mühlbacher für mich
getan hat, auch gebilligt hat. Hätte er mir diese Zusicherung nicht gegeben, hätte ich meine
Sachen sofort zusammengepackt und wäre in ein Archiv gegangen. Nun bin ich wieder beru-
higt. Steinacker hat einen gewaltigen Vorsprung. Mühlbacher hat ihn wegen mir aufgehalten,
jetzt wird er wohl nach Jahresfrist habilitiert sein. Nun, ja die Trümmer meines Glücks !143
140 Manfred Stoy, Geschichte des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung (MIÖG Erg. Bd. 50,
Wien 2007) 22. Hierzu auch Bettina Pferschy-Maleczek, Die Diplomata-Edition der Monumenta His-
toriae Historica am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (1875–1990), in : MIÖG 112 (2004)
412-464, hier 424.
141 Ebd. 25.
142 Pavel Kolář, Fachkontroverse und institutionelles Umfeld in der Geschichtswissenschaft. Die Debatte um
die Nachfolge Oswald Redlichs an der Universität Wien 1929–1931 und die Neuorientierung der Histori-
schen Hilfswissenschaften, in : Magister Noster. Sborník statí věnovaných in memoriam Prof. PhDr. Janu
Havránkovi, Csc.FS, hg. v. Michal Svatoš, Luboš Velek u. a. (Praha 2005) 107–124. Karel Hruza, Heinz
Zatschek (1901–1965). „Radikales Ordnungsdenken“ und „gründliche, zielgesteuerte Forschungsarbeit“
in : Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der
Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts, hg. v. Dems. (Wien 2008) 677–793, hier 697–
703.
143 Weiters heißt es in Hirschs undatiertem Brief : Ich habe aber mein Ziel erreicht. Er wollte wissen, was Dopsch
hinter seinem und Mühlbachers Rücken so treibt. Er sollte dabei auch Srbik näher kennen lernen. Letzteres habe
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625