Seite - 83 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Bild der Seite - 83 -
Text der Seite - 83 -
Ludo Moritz Hartmann (1865–1924) 83
fen90. Tatsächlich wurden die Kurse im Sommer 1903 ein großer Erfolg, der anhielt, bis
der Erste Weltkrieg diesem Unternehmen ein Ende bereitete91.
5. der volksBildner ludo hartmann
Für Hartmann bedingten Volksbildung und Demokratie einander. Er betrachtete die
Volksbildung als eine notwendige Ergänzung der Schule, in deren Zentrum nicht eine be-
rufliche Weiterbildung, sondern eine Weiterentwicklung der allgemeinen Bildung stehe.
Ziel und Zweck der Volksbildung sei das Denkenlernen. Die Prinzipien des Volksbil-
dungswesen setzte Hartmann auch den „Schlagworten der Demokratie“ gleich : Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit. Unter Freiheit verstand er in diesem Zusammenhang die
Lehr- und Lernfreiheit, aber auch die Freiheit von geistiger Bevormundung und von wie
auch immer gearteten Dogmata sowie die Möglichkeit der Wahl, weshalb es für die Volks-
bildung keine festgesetzten Lehrpläne wie in anderen Bildungsstätten geben sollte. Das
Prinzip der Gleichheit erkannte Hartmann in der Allgemeinheit des Volksbildungswe-
sens, die allen gleichmäßig zugänglich sein und sich auf „Stadt und Land, auf Mann
und Frau, auf Arbeiter und Bürger“ erstrecken sollte. „Brüderlichkeit“ bezeichnete laut
Hartmann das Verhältnis von Lehrern und Schülern, in welchem die Lehrer keinen Auto-
ritätsanspruch erheben durften. Darüber hinaus dürfe es der Lehrer „nicht als Belästigung
empfinden, wenn er gefragt wird oder ihm Einwürfe gemacht werden, er muss selbst
von den Schülern lernen … Er darf seine wissenschaftliche Überlegenheit nicht über-
schätzen… und wo dies möglich ist, sollten Methoden angewendet werden, welche den
Kathederton ausschließen“92. Diese Prinzipien des Lernens und des Lehrens waren für
einen Universitätsdozenten zu Hartmanns Zeit mit Sicherheit als unkonventionell und
fortschrittlich zu betrachten.
Der erste Wiener Volksbildungsverein wurde 1887 gegründet. Sein Ziel war es, der
gesellschaftlichen Trennung in Gebildete und Ungebildete, die durch die sozialen Un-
gleichheiten bedingt war und die sich mit den rasanten gesellschaftlichen Veränderungen
immer mehr verschärfte, entgegenzuwirken. Die Einrichtung von Volksbibliotheken und
Sonntagsvorträgen bildeten die ersten Vereinsaktivitäten, dazu kam bald die aus England
90 Vgl. Ludo M. Hartmann, Das Salzburger Universitätskompromiss, in : Arbeiterzeitung, Morgenblatt, 8. Mai
1917, 2, online verfügbar unter : http://anno.onb.ac.at/cgicontent/anno?aid=aze&datum=19170508&seite=1
&zoom=33&query=%22verein%22%2B%22wissenschaftliche%22%2B%22ferialkurse%22&provider=P02
&ref=anno-search (letzter Zugriff am 27.02.2016).
91 Höflechner, Baumeister (wie Anm. 89) 64.
92 Ludo Moritz Hartmann, Demokratie und Volksbildung, in : Volksbildung, in : Monatsschrift für die Förde-
rung des Volksbildungswesens in Deutschösterreich 1/1 (1919) 18–21.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625