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Hermann Wopfner (1876–1963) 103
Dort erlebte er 1915 den Kriegseintritt Italiens. Im Herbst 1916 wurde Wopfner zum
Alpinen Referat des 11. Armeekommandos in Trient versetzt, zu dessen Leiter er nach
einigen Monaten aufstieg. Der Kriegsdienst war ihm aber auch Inspiration zu ethnogra-
phischen wie volkskundlichen Studien26.
Wopfners Forschungen zur Agrargeschichte vor Beginn des Ersten Weltkrieges gipfel-
ten in Beauftragungen zur Abfassung von Lexikonartikeln. Für das „Handwörterbuch der
Staatswissenschaften“ lieferte er den Beitrag „Agrargeschichte des Mittelalters“27. Georg
von Below beauftragte Wopfner mit der Darstellung der deutschen Agrargeschichte für
ein geplantes Sammelwerk, das allerdings kriegsbedingt nicht erschien. Für den Lehr-
gebrauch stellte er den Band „Urkunden zur Agrargeschichte“ zusammen, der ebenfalls
kriegsbedingt erst 1928 erschien28.
3. wissenschaftliche schwerpunkte nach 1918
Der Ausgang des Ersten Weltkrieges und der Zerfall des Habsburgerreiches hinterließen
bei Wopfner tiefe Spuren. Der „Untergang des großen alten Österreich“ war für ihn das
Werk „täppischer Hände“, die die „Ordnung Mitteleuropas“ zerbrochen hatten. Auch
Wopfner fand sich zunächst in das „neue, kleine Österreich“ nicht hinein und war ein
Anhänger des Anschlussgedankens an Deutschland. Grund dafür war nicht nur die Hoff-
nung auf eine „Besserung der Lage aus der Vereinigung mit Deutschland“, sondern auch
der Wunsch nach einer Stärkung des föderalistischen Gedankens. Diesen sah er eher in
Deutschland verwirklicht, wo durch den Kriegsausgang die Vorherrschaft Preußens ge-
schwächt war, als im zentralistisch angelegten Bundesstaat Deutsch-Österreich in der
Verfassung von 1920. Mit dieser Prognose lag er letztlich falsch. Der deutsche Zentra-
lismus war für Wopfner neben der demokratie- und freiheitsfeindlichen Gesinnung auch
ein Grund, den „Anschluss“ Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 abzulehnen, wie
er rückblickend anmerkte29. Wopfner nahm zur Verfassungsfrage in Österreich in ver-
schiedenen Vorträgen und Zeitungsartikeln Stellung und hatte dabei auf die Schweizer
Verfassung und deren Zustandekommen 1848 verwiesen. Seiner Ansicht nach war die
26 Hermann Wopfner, Der Rückgang der bäuerlichen Siedlungen in den Alpenländern. Sonderdruck aus Neue
Tiroler Stimmen (Innsbruck 1917). Wopfner hatte an kroatischen Soldaten „volkskundliche Studien“ betrie-
ben und diese etwa ihre Volkslieder singen lassen. Vgl. Ders., Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 185.
27 Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. v. Johannes Conrad (Jena 31909) 188–196.
28 Hermann Wopfner, Urkunden zur Agrargeschichte (Ausgewählte Urkunden zur deutschen Verfassungs- und
Wirtschaftsgeschichte 1–3, Stuttgart 1925–28).
29 Vgl. Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 186 und 193–195.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625