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Hermann Wopfner (1876–1963) 119
Bemerkung gegenüber Grass zu Weihnachten 1943 nur folgerichtig : Wir haben nun freilich
ernste Weihnachten. Was ist das doch für ein Krieg ! In welche Barbarei sinkt die Menschheit
zurück ! Das Geschwür, das lange unter der Haut gewuchert hat, ist nun aufgebrochen102.
Wopfner kann tatsächlich als begabter politischer Historiker beurteilt werden, aber
nicht im Sinne von Grass (siehe Abschnittsüberschrift), der die politische Sphäre in Wopf-
ners Wirken eher in dessen Auftreten gegen die Teilung Tirols vermutete. Wopfner war
in seiner Opposition zu Teilen der NS-Ideologie jedoch mehr als einer der vielen, die
gegen die Italianisierung Südtirols auftraten ; er gehörte zu den wenigen, die zumindest
vorsichtig und mit fundierten wissenschaftlichen Argumenten die Absurdität einiger NS-
Ideologeme aufzeigten. Freilich stellte er sich dabei nicht allzu sehr gegen den Wind,
denn er wollte ja nach seinem ursprünglichen Plan schon bald sein Bergbauernbuch he-
rausbringen (siehe Abschnitt V), wofür er in Zeiten der Kriegswirtschaft und knapper
Ressourcen mehr denn je die Billigung des Regimes benötigte.
5. schluss
Hermann Wopfner bilanzierte seinen „geistigen Entwicklungsgang“ als „geradlinig ver-
laufen“, wenngleich er sich dies nicht als sein Verdienst anrechnete103. Dies mag als Un-
derstatement angesehen werden, trifft aber auf seinen wissenschaftlichen Werdegang zu.
Früh und dank seiner Mutter der väterlichen Verpflichtung, ebenfalls Kaufmann zu wer-
den, entzogen, machte er seine Interessen am Historischen zu seinem Beruf. Der Karri-
erebeginn im Innsbrucker Statthaltereiarchiv diente der Kontaktknüpfung und -pflege
und gab ihm die notwendige Zeit für Quellenstudien. Seine akademische Karriere verlief
rasch, aber für diese Zeit nicht außergewöhnlich. Mit 28 Jahren war er bereits habilitiert
und mit 33 Jahren außerordentlicher Professor ; fünf Jahre später erfolgte die Ernennung
zum ordentlichen Professor. Damit schienen Wopfners akademische Ambitionen abge-
schlossen zu sein. Ein Wunsch nach einer Wegberufung ist nicht bekannt. Der Kriegs-
dienst war durch die bereits im Jahr 1914 erfolgte Berufung an die Universität Innsbruck
kein wesentlicher Bruch.
Diese kontinuierliche erfolgreiche Laufbahn im akademischen Milieu war Wopfner jedoch
nicht in die Wiege gelegt worden. Seine Vorfahren waren Bergbauern, Handwerker und Ge-
werbetreibende. Nur ein Familienmitglied, der in München wirkende akademische Maler Jo-
sef Wopfner (1843–1927), schlug aus der Reihe. Seine unmittelbaren Vorfahren, die bereits
im 18. Jahrhundert nach Innsbruck gezogen waren, gehörten aufgrund ihrer handwerklichen
102 TLMF, NL NG, Korrespondenz mit Wopfner, Wopfner an Grass vom 22.12.1943.
103 Wopfner, Selbstdarstellung (wie Anm. 3) 201.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625