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154 Petra Svatek
im Jahr 1944. Als Nachfolger ernannte man Knoll von der Hochschule für Welthandel,
während man Hassinger eine unpolitische Haltung vorwarf143.
Unpolitisch war Hassinger sicher nicht. Er betonte bereits während der 1930er Jahre
seine großdeutsche Einstellung und verhielt sich auch dem NS-Staat und der Partei ge-
genüber zustimmend144. Aussagen in einigen zum großen Teil unveröffentlichten Berich-
ten und Briefen zeigen, dass Hassinger die politische Ausrichtung einiger seiner volks-
politischen Arbeiten explizit beabsichtigt hat und für eine Stärkung und Flurbereinigung
des deutschen Volkstums im Donauraum eingetreten war145. Dabei wurden einige Studien
nicht von außen an ihn herangetragen, sondern entsprangen seinem eigenen Antrieb.
Hassinger war der Initiator mancher politisch relevanter Forschungen. Auf jedem Fall soll
rechtzeitig die wissenschaftliche Rüstung vorbereitet sein, wenn eine dieser Umsiedlungsfragen
politisch angeschnitten werden sollte, um nicht von den Tatsachen überrascht zu werden, wie
das teilweise im Nordosten geschehen ist146, betonte Hassinger in seinem Ansuchen zum
Projekt „Neuordnung der deutschen Volksgruppengebiete im Innerkarpatischen Raum“.
Diese Aussage zeigt, dass Hassinger ohne Auftrag von Behörden oder Politikern agierte
und seine Forschungen der Politik zur Verfügung stellen wollte.
Die bereits von anderen Autoren aufgestellte These, wonach nicht immer von einer
„Indienstnahme“ der Wissenschaft durch die politischen Akteure ausgegangen werden
kann147, hat auch bei Hassinger seine Gültigkeit. Bei ihm handelt es sich unter anderem
vielmehr um Gegenseitigkeit. Als Beispiel soll die von Hassinger aufgebaute Verbindung
zur „Forschungsstaffel zur besonderen Verwendung“ genannt werden, die in Neudorf am
Gröditzberg stationiert war. Diese Forschungsstaffel wurde im Frühjahr 1943 durch das
Oberkommando der Wehrmacht gegründet. Ihre Aufgabe bestand in der Geländebeurtei-
lung unerschlossener oder wenig bekannter Gebiete und in der anschließenden Produk-
tion von Karten. Mitgearbeitet haben vor allem Naturwissenschaftler und kriegserfahrene
militärische Fachkräfte. Als Hassinger mit ihr Kontakt aufnahm, wurden Kartierungen
143 PAAA, R 100462, Brief vom 27.09.1944.
144 ÖStA, AdR ZNsZ GA Gauakte Hugo Hassinger, politische Beurteilung vom 22.12.1938 und vom
24.08.1948.
145 UAW, NL Hassinger, Kt. 26, Vortrag Hassingers auf der Tagung deutscher wissenschaftlicher Ost- und Süd-
ostinstitute in Breslau 25.–27. 09.1941 ; Svatek, Hassinger (wie Anm. 66) 304–305.
146 UAW, NL Hassinger, Kt. 16, Projektansuchen 1940/41.
147 Siehe dazu beispielsweise : Mitchell G. ASH, Wissenschaftswandel in Zeiten politischer Umwälzungen :
Entwicklungen, Verwicklungen, Abwicklungen, in : Internationale Zeitschrift für Geschichte und Ethik der
Naturwissenschaften, Technik und Medizin 3/95 (1995) 1–21, hier 1 ; Ders., Wissenschaft und Politik als
Ressourcen für einander, in : Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen,
Brüchen und Kontinuitäten, hg. v. Rüdiger vom Bruch, Brigitte Kaderas (Wiesbaden 2002) 32–51, hier
32f.; Ders., Wissenschaft und Politik. Eine Beziehungsgeschichte im 20. Jahrhundert, in : Archiv für Sozial-
geschichte 50 (2010) 11–46, hier 17.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625