Seite - 190 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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190 Martina Pesditschek
toriker Helbok von sich, seiner „Begabungsrichtung nach […] weniger für Sprachen als
für die Naturwissenschaften veranlagt“ gewesen zu sein29, und sehr ähnlich wie bei Scha-
chermeyr kam diese angebliche naturwissenschaftliche Begabung schließlich vorwiegend
(wenngleich in seinem Fall nicht ausschließlich) in rassenbiologischen Ergüssen zum öf-
fentlichen Ausdruck30. Nicht anders als Schachermeyr glaubte Helbok schließlich auch
von sich, dass sein wissenschaftliches Talent ernsthaft von einer künstlerischen Begabung
konkurrenziert wurde, nur sah sich Letzterer als für die Malerei auserkoren31, ohne sich
freilich für „unmusikalisch“ zu halten, „denn große Musik macht auf mich starken Ein-
druck, wenn ich auch die Militärmärsche, die österreichischen und nicht minder die deut-
schen, sehr liebe“32. In seinem Elternhause kam es offenbar des öfteren zu kontroversen
politischen Konversationen : Seine bayerische Mutter war eine Verehrerin Bismarcks, der
Vater „liebte Bismarck nicht“, denn als „deutschbewußter Großösterreicher“ „überwand“
er „es nicht, daß wir aus dem Reiche draußen waren“33. Mithin orientierten sich – bei
allen Unterschieden im Detail – beide Elternteile eher auf das Deutsche Reich und nicht
etwa auf das österreichische Erzhaus hin, und so überrascht es nicht, dass Helbok als ein
seinen Eltern gegenüber loyaler Sohn schon bald ebenfalls großdeutsch-deutschnational
(und nicht etwa österreichisch-patriotisch) zu empfinden begann, mit der Folge, dass er in
des Deutschen Archäologischen Instituts 2,2 ; Forschungscluster 5 : Geschichte des Deutschen Archäologi-
schen Instituts im 20. Jahrhundert, Rahden/Westf. 2016), 295–308.
29 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 8, 19 („Die erste Generation meiner mütterlichen Vorfahren beginnt mit
einem Tübinger Ordinarius der Medizin, Ärzte folgen[,] und ich habe offenbar deren naturwissenschaftliche
Veranlagung geerbt“).
30 Vgl. Helbok selbst ebd. 156 : „Ich selbst bin vorwiegend naturwissenschaftlich veranlagt und kam so als aka-
demischer Lehrer zu meiner biologischen Volkstumsgeschichte, ich wäre aber auch Arzt geworden.“ Allerdings
erging sich Helbok – anders als Schachermeyr – in der Tat auch sonst immer wieder in (vielfach nur pseudo-)
naturwissenschaftlichen Exkursen, vgl. etwa ebd. 40 : „Das neue Wissen vom Menschen sieht seinen Leib im
letzten aus Atomen gebildet, in deren Kern Elektronen kreisen, deren Abstände, relativ betrachtet, denen der
Sterne gleichen. […] Es beginnt also eine neue[,] aber lebensnahe Wunderwelt sich vor uns aufzubauen, der
die Germanen einmal nahe waren, die aber durch die kindhaft begrenzte Weltsicht des Mittelmeeres über-
schattet wurde.“
31 Ebd. 8f.; vgl. auch Gröhsl, Helbok – 75 Jahre (Bibl.) 19 ; Timmel, Helbok (Bibl.) 23.
32 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 21 ; für „Jazzmusik und Niggertänze“ (ebd. 61) vermochte er sich hingegen
genau so wenig wie Adorno zu begeistern. Dass seine musikalischen Interessen und Kenntnisse in der Tat weit
über Militärmärsche hinausgingen, zeigen diverse Abschnitte in der „Deutschen Volksgeschichte“ : Ders.,
Deutsche Volksgeschichte. Wesenszüge und Leistungen des deutschen Volkes 1 : Von der Frühzeit bis zur
Reformation (Veröff. aus Hochschule, Wissenschaft und Forschung 1, Tübingen 1964, ND Tübingen 1987,
2005) 76f.; 2 : Vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Weimarer Republik (Veröff. aus Hochschule, Wissenschaft
und Forschung 2, Tübingen 1967, ND Tübingen 1987, 2005) 65–70, 176–180.
33 Ders., Erinnerungen (Bibl.) 18f.; vgl. Ilg, Die Geschichte der tirolischen Volkskunde (wie Anm. 26) 208 :
„Daher prägten die tieferen Meinungsunterschiede der Eltern Helbok mit und wiesen ihn immer auf ein Pro-
blem des Gesamtvolkes hin.“
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625