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Adolf Helbok (1883–1968) 207
die sprachwissenschaftlichen Argumente für bzw. gegen eine solche Annahme selbständig
würdigen zu können. Unter diesen Umständen liegt natürlich immer die Gefahr bzw. der
Vorwurf des Dilettantismus nahe, und dieser ist gegenüber Helbok später auch tatsächlich
immer wieder erhoben worden128.
Formal ist die „Siedelungsgeschichte“ die erste von vielen programmatischen Schrif-
ten, in denen eine bestimmte Fragestellung oder eine bestimmte fachliche Ausrichtung
als zukunftsträchtig und vielversprechend dargestellt wird und anschließend für die Ein-
richtung einer entsprechenden Institution oder die Unterstützung eines einschlägigen
Projektes geworben wird ; im vorliegenden Fall ist dies die Siedlungsgeschichte („Siede-
lungsforschung“) einerseits und sind dies ein großes „Zentralinstitut für Siedelungs- und
Landeskunde“ am besten in Leipzig129 sowie ein „Institut für alpenländische Siedelungs-
und Landeskunde“ in Innsbruck130 andererseits. Erwähnenswert ist weiter noch, dass
Helbok hier „Rasse“ als Synonym für „Volk“ bzw. „Sprachgemeinschaft“ zu verwenden
scheint. Das war damals seit Langem so üblich131, und Helbok selbst hat erst von 1936 an
Frage etwa Manfred K. H. Eggert, Bantu und Indogermanen, in : Saeculum 62,1 (2012) 1–63, hier v.a. 56 :
„Vielmehr wurde das jeweils andere Fach weitgehend als ‚Hilfswissenschaft‘ benutzt.“
128 Nämlich etwa von Edward Schröder (siehe unten Anm. 213) und dem späteren Intimfeind Friedrich Metz ;
vgl. Fehn, „Biologische Volkstumsgeschichte“ (Bibl.) 476 ; Ders., Volksgeschichte im Dritten Reich (Bibl.)
578 ; Schmoll, Vermessung (Bibl.) 119.
129 HelBok, Siedelungsforschung. Ein Weg (wie Anm. 112) 29–31, vgl. für Leipzig 31 : „Da in Leipzig das In-
stitut für vergleichende Kultur- und Universalgeschichte naturgemäß die wertvollsten Aufschlüsse für unser
Zentralinstitut bieten kann, außerdem im Seminar für Landes- und Siedelungskunde der meines Wissens
erste Ansatz für unsere Frage im engeren Sinne geschaffen wurde und zudem in vielen Unternehmungen
Sachsens erfahrungsreiche, wertvolle Ergebnisse erzielt wurden, gehört wohl das Zentralinstitut für unsere
Forschung dorthin.“
130 Ebd. 33 : „Es ist eine Hauptforderung einer, wie oben gedacht, großzügig betriebenen Siedelungsforschung,
daß ein Institut für alpenländische Siedelungs- und Landeskunde entstehe. Seine Orts-
wahl ist nicht schwer. Es muß dort sein, wo West- und Ostalpen ungefähr zusammentreffen, wo ältere und
jüngere geologische Bildungen sich nahe sind, von wo es zum romanischen Teile des Westens und Südens
und zum slawischen des Ostens gleichviel ist – also Innsbruck.“
131 Vgl. besonders Jean Stengers, Hitler et la pensée raciale, in : Revue belge de philologie et d’histoire 75,2
(1997) 413–441, hier 413–422 und auch 440f., weiters auch Stefan Breuer, Der Streit um den „nordischen
Gedanken“ in der völkischen Bewegung, in : Zs. für Religions- und Geistesgeschichte 62,1 (2010) 1–27, hier
v.a. 14 („deutsche Rasse“) ; Jürgen Elvert, Mitteleuropa ! Deutsche Pläne zur europäischen Neuordnung
(1918–1945) (Historische Mitteilungen HMRG, Beiheft 35, Stuttgart 1999) 311–314 ; oder etwa den Be-
griff der „germanischen Rasse“ im Werk von Willibald Hentschel, vgl. zuletzt Uwe Puschner, Völkische
Intellektuelle ? Das Beispiel Willibald Hentschel, in : Intellektuelle und Antiintellektuelle im 20. Jahrhundert,
hg. v. Richard FaBer, Uwe Puschner (Zivilisationen & Geschichte 20, Frankfurt/M. 2013) 145–163. Der
junge John F. Kennedy bezeichnete die Italiener 1937 als race, die attraktiver als das „primitive Volk“ der
Franzosen mit „kohligem Mundgeruch“ sei, und notierte sich auch that the Nordic races certainly seem superior
to the Latins. The Germans really are too good – it makes people gang against them for protection : John F. Ken-
nedy, Unter Deutschen. Reisetagebücher und Briefe 1937–1945, hg. v. Oliver LuBrich (Berlin 2013) 23,
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625