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228 Martina Pesditschek
Den 30. Januar 1933 erlebte Helbok in Berlin, und er empfand die nun einsetzen-
den politischen Veränderungen offenkundig als sehr positiv251, ganz anders als die Ent-
wicklung beim Atlas. Hatte er es im Herbst 1932 auch zunächst erreicht, dass sich der
Innominato von selbst in den Hintergrund zurückzog, so wurde er nun von dessen Pro-
tektor Schmidt-Ott brüskiert und legte die wissenschaftliche Leitung der Zentralstelle
des Atlas im Frühjahr 1933 „irgendwann“ nach dem 11. Februar252 und vor Beginn des
Sommersemesters zurück.253 Trotz späterem mehrmaligem und intensivem Bemühen
sollte er die Leitung des Atlasses nie wieder zurückerlangen können. Folgenschwer war
aber auch noch eine andere Handlung Helboks in diesem Frühjahr : Er trat der NS-
DAP am 12. April 1933 gemeinsam mit seiner Frau offenbar in Innsbruck254 bei255,
kurz vor dem Verbot dieser Partei in Österreich am 19. Juni 1933256 – und so erhielten
denn beide entsprechend niedrige Mitgliedsnummern : 1.531.808 bzw. 1.531.807257.
Diesen Beitritt mag man alles andere als selbstverständlich nennen, denn Helbok hatte
sich bisher in vielerlei Hinsicht eher wie ein partiell258 konservativer oder eher reakti-
251 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 93 : „Man muß die Krise dieser Weltstadt erlebt haben, die kommunistischen
Menschenverschleppungen, die Unsicherheit des Lebens, den moralischen Sumpf, das alles verschwand nun
wie ein böser Spuk.“
252 Gansohr-Meinel, „Fragen an das Volk“ (Bibl.) 113.
253 OBerkofler, In memoriam (Bibl.) 147 gibt „Juli 1933“ als Monat seiner Rückkehr an, was allerdings ganz
unwahrscheinlich ist, da Helbok ja im Sommersemester 1933 nicht mehr beurlaubt war.
254 Gansohr-Meinel, „Fragen an das Volk“ (Bibl.) 96.
255 BAB, R4901/13266 ; UAI, PA AH, Personalnachrichten, vgl. Stellungnahme zu den Vorhaltungen, Zur po-
litischen Haltung von Prof. Helbok ; Goller, OBerkofler, Universität Innsbruck (Bibl.) 72, 79 ; Haar,
Historiker (wie Anm. 191) 281 Anm. 98 ; Johler, Geschichte und Landeskunde (Bibl.) 458 ; Ludwig,
Adolf Helbok […] und die „Gleichschaltung“ (Bibl.) 82.
256 Sonja Niederacher, Die Entwicklung der Entnazifizierungsgesetzgebung, in : Entnazifizierung zwischen
politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ, hg. v. Maria Mesner
(Wien/München 2005) 13–58, hier 18–20.
257 Vgl. allgemein zur Aussagekraft von Mitgliedsnummer und Beitrittsdatum Martina Pesditschek, Wien war
anders – Das Fach Alte Geschichte und Altertumskunde, in : Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus.
Das Beispiel der Universität Wien, hg. v. Mitchell G. Ash, Wolfram Niess, Ramon Pils (Göttingen 2010)
287–316, hier 300f. Anm. 81 und Dies., Franz Miltner, in : Lebensbilder I. Klassische Archäologen und der
Nationalsozialismus, hg. v. Gunnar Brands, Martin MaischBerger (Menschen – Kulturen – Traditio-
nen. Studien aus den Forschungsclustern des Deutschen Archäologischen Instituts 2, Rahden/Westf. 2012)
177–191, hier 189 mit Anm. 151.
258 Es fehlte ihm völlig die für einen genuinen Konservativen typische Skepsis, und ebensowenig konservativ war,
dass er (jedenfalls bis 1945) sogar bewusst dem Zeitgeist huldigen wollte : „Er spricht einem Museum ohne
direkten Gegenwartsbezug die Sinnhaftigkeit ab und erwartet sich auch in der Sammeltätigkeit eine Ausrich-
tung am Zeitgeist. Die bedingungslose Orientierung an der Gegenwart, die Bewunderung für die politischen
und kulturellen Entwicklungen in Deutschland haben auch in seinen anderen Schriften ihren Niederschlag
gefunden“, so Truschnegg, Der Vorarlberger Landesmuseumsverein (wie Anm. 70) 73.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625