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280 Martina Pesditschek
des n.s. Regimes […] nicht einverstanden gewesen sein, […] so ist er doch insbesonders [sic] der
studierenden Jugend gegenüber als ein geistiger Wegbereiter und Förderer des genannten Systems
anzusehen. Gerade weil er als Lehrer und Wissenschafter von Ruf sich doch in aller Öffentlichkeit
immer wieder zum Nationalsozialismus bekannte, wirkt [sic] er durch sein schlechtes Beispiel
höchst ungünstig auf die Jugend. Er ist daher als akademischer Lehrer sicherlich nicht tragbar.
Daß er sein Werk „Die Genialen Österreichs von 1650–1850“ in Vorbereitung hat, worin gewisse
österreichische Kulturwerte hervorgehoben werden sollen, vermag den besagten Eindruck nicht zu
[revidieren]. Es bleibt übrigens dahingestellt, ob Helbok bei seinem Auftreten in der Vergangenheit
innerlich und äußerlich dazu berufen erschien, rein österreichische Kultur wirksam zu fördern554.
Dass Helbok trotz seinem äußerlichen demonstrativen Bekenntnis zu Österreich nun-
mehr innerlich nicht etwa der (damals noch wirklich konservativen und christlich-sozi-
alen) Österreichischen Volkspartei nahestand, sondern sich weiterhin dem deutschnati-
onalen sogenannten „dritten Lager“ zugehörig fühlte555, legt schon der Umstand nahe,
dass er im Februar 1947 – notabene unter dem Pseudonym Candaries, das offenbar eine
lateinische Übersetzung seines Nachnamens darstellen sollte – in der Zeitschrift „Berichte
und Informationen des Österreichischen Forschungsinstituts für Wirtschaft und Politik“
über die „österreichischen Genialen“ zu publizieren begann. Verleger (bzw. Leiter besag-
ten Institutes) war zunächst Herbert Alois Kraus (1911–2008), späterer Mitbegründer des
„Verbandes der Unabhängigen“ (VdU)556, als Verantwortlicher Redakteur zeichnete Hans
Zeilinger (1921–2011), später langjähriger Chefredakteur der VdU- bzw. FPÖ-Organe
„Neue Front“ bzw. „Neue Freie Zeitung“557. In seinem ersten Beitrag „Aufbau einer neuen
Volkscharakterkunde. Ihr politischer Sinn und die bereits vorliegenden Ergebnisse“558 ar-
gumentiert „Candaries“ freilich dahingehend, dass die Österreicher nicht nur ein Stamm,
554 AdR, PA AH, fol. 111, 114 (Politischer Überprüfungsbescheid des Verwaltungsdirektors der Univ. Richard
Pokorny vom 03.05.1946) ; zitiert nach der Publikation in Goller, OBerkofler, Universität Innsbruck
(Bibl.) 79f.; vgl. Pinwinkler, Historische Bevölkerungsforschungen (Bibl.) 159.
555 Dass Helbok sich anders als viele vormalige Nazis nicht der Sozialistischen Partei Österreichs zuwandte, mag
paradoxerweise seinen Grund gerade im Umstand gehabt haben, dass er eigentlich ein sehr schlechter Nati-
onalsozialist gewesen ist, der u. a. auch sozialistischem Denken und Empfinden recht ferne stand und sich
viel lieber mit „oben“ als mit „unten“ identifizierte ; die Arbeiterbewegung, aber auch die Ausbeutung und
Manipulation werktätiger Menschen durch Eliten haben ihn nicht interessiert, vielmehr eignete ihm selbst ein
„Hang zum Elitären“, so Meixner, „… eine wahrhaft nationale Wissenschaft der Deutschen…“ (Bibl.) 126.
556 Die Gründung erfolgte gemeinsam mit Viktor Reimann im Jahr 1949, Kraus fungierte bis 1952 als Ob-
mann ; Art. „Kraus, Herbert Alois“, in : Österreich-Lexikon 2 (wie Anm. 35) 240 ; Lothar HöBelt, Von der
vierten Partei zur dritten Kraft. Die Geschichte des VdU (Graz/Stuttgart 1999) passim ; Herbert Kraus,
Untragbare Objektivität. Politische Erinnerungen 1917 bis 1987 (Wien/München 1988).
557 HöBelt, Von der vierten Partei zur dritten Kraft (wie Anm. 556) passim.
558 In : Berichte und Informationen des Österreichischen Forschungsinstituts für Wirtschaft und Politik 2. Jg.,
H. 43 (21.2.1947) 11f. = 659f.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625