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300 Martina Pesditschek
ven Völker, die wir überheblich ‚Naturvölker‘ nennen, […] ein geordnetes Leben, d. h. ein
organisch echtes Leben haben, indem sie den Volkstumsgedanken besitzen. Ja, so ist es !
Diese Völker organisieren ihr gemeinsames, also öffentliches Leben aus den einzig wahren
Lebenstatsachen, aus der Familie, der Sippe, dem Stamm und damit dem Volke“671, so
betont er am Ende, „daß ein fremdes Volk im eigenen eben doch ein Fremdkörper ist“
und „daß einzig und allein aus dem das Völkische bewahrende [sic] Wesen nur das er-
wachsen kann, was man mit dem Wort Toleranz im Völkerverkehr bezeichnet. Denn wer
sein Volkstum pflegt, aus dem innersten Wesen seine Volkstumsart begreift, kann nicht
ein fremdes Volkstum unterdrücken, indem er es sich einverleibt. Frei können die Volks-
tümer, sich gegenseitig achtend, nebeneinander bestehen“672.
Aus Anlass seines schon erwähnten 80. Geburtstages im Jahr 1963 gab es am 2. Feb-
ruar auch eine „kleine […] Feier“ in einem Gasthaus in Götzens, in deren Rahmen die
allzeit getreuen Ranzi und Gröhsl dem Jubilar ein Exemplar seiner nunmehr gedruckten
„Erinnerungen“673 überreichten674, deren Herausgabe sie „im Auftrag seiner Innsbrucker,
Berliner und Leipziger Schüler“ besorgt hatten. Diese „Erinnerungen“ sind, wie in der Li-
teratur bereits öfter bemerkt worden ist675, von einer deutlichen Sympathie für den Nati-
onalsozialismus im Allgemeinen (er wird ausdrücklich als „immerhin noch rücksichtneh-
mender“ als die anderen politischen Systeme „dieses öden Jahrhunderts“ bezeichnet676)
und Adolf Hitler im Besonderen getragen ; auch Alfred Rosenberg wird als „sehr gebilde-
ter und gutgesinnter Mann […] (vgl. seine Erinnerungsschrift und seine Tagebücher)“677
beurteilt, der bloß „ebenso unglücklich in der Wahl seiner Mitarbeiter“ und „kein Men-
schenkenner“ gewesen sei. Es fehlen allerdings (wie in Helboks veröffentlichtem Werk
auch sonst) die für NS-apologetische Literatur sonst typischen antisemitischen Ausfälle.
Der Holocaust wird nicht etwa gutgeheißen oder geleugnet, sondern einfach beschwie-
gen, was im Übrigen auch für einige Helbok evident unliebsame Ereignisse aus seinem
persönlichem Leben gilt, sodass man in ihm einen Meister des Verdrängens vermuten
kann. Das Wort „Verbrechen“ wird in den „Erinnerungen“ im Zusammenhang mit dem
Nationalsozialismus nur ein einziges Mal gebraucht : „der Nationalsozialismus, der mit
der Umsiedlung [sc. der deutschsprachigen Südtiroler] ein Verbrechen gegen seinen
Grundsatz von Blut und Boden sich zuschulden kommen ließ. (Laut einer Mitteilung des
671 HelBok, Einleitung (wie Anm. 670) 6.
672 Ebd. 8.
673 HelBok, Erinnerungen (Bibl.).
674 Ilg, Helbok 80 Jahre (Bibl.) 46 ; Johler, „Tradition und Gemeinschaft“ (Bibl.) 592.
675 Vgl. etwa Ders., „Volksgeschichte“ (Bibl.) 545f., 592 mit Literatur.
676 HelBok, Erinnerungen (Bibl.) 100.
677 Ebd. 153f.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625