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306 Martina Pesditschek
Geist des Ganzen, die Führer der Massen denken an ihre Partei“716, wird als Verfasser am
ehesten wohl vielmehr einen der beiden strikt antinazistischen Reaktionäre Nicolás Gómez
Dávila und Erik (Ritter von) Kühnelt-Leddihn vermuten717. Doch derartige eben eher re-
aktionäre als konservativ-skeptische Haltungen hatten gegenüber der idealistischen „völki-
schen“ Begeisterung718 ja schon 1933 den Kürzeren gezogen, und sich offen einzugestehen,
dass man zwölf Jahre einem falschen, ja diabolischen Gott geopfert hat und das meiste, das
man geschrieben, nur mehr als Makulatur taugt, erfordert eben eine menschliche Größe,
die man gerade im akademischen Bereich selten antrifft. Der Rest war Verdrängen.
Es ist unklar, ob Helbok das Erscheinen dieses zweiten Bandes noch in üblicher Weise
würdigen bzw. überhaupt wahrnehmen konnte. Nach dem Tod seiner Frau am 20. Sep-
tember 1966 ging es bald auch ihm selbst gesundheitlich immer schlechter ; er wurde
zunächst vom in der Nachbarschaft lebenden Ehepaar Sanol in seinem eigenen Haus
betreut, am 15. Januar 1968 zog er dann noch in das Haus seiner Betreuer ein ; zu diesem
Zeitpunkt war er bereits an einen Rollstuhl gebunden719. Nur wenige Monate später, am
29. Mai 1968 verstarb Helbok in (Neu-)Götzens bei Innsbruck in Tirol720. In der vom
Standesamt Axams ausgestellten Sterbeurkunde ist als Konfession wieder röm. kath. ein-
getragen721, und zweifellos ein christliches Begräbnis erhielt also, wer noch am Schluss
des Schlusswortes seines opus maximum die einstige germanische Übernahme des durch
„zwecklose{n} und ins Uferlose führende{n} Jenseitsspekulationen“ gekennzeichneten
Christentums „mit allen ihren verhängnisvollen, das Germanentum im Keime tötenden
Ideen – zum Schaden der Weltkultur“ zutiefst bedauert722 hatte.
Erstaunlicherweise stellte der zuständige Notar Hieronymus Stark nach Helboks Tod
nur Schulden fest, sodass seine offenbar unverheiratet gebliebene Schwester Wilhelmine
Helbok für sein Begräbnis selbst aufkommen musste. Das von ihm in Götzens errichtete
Haus scheint nicht im Nachlass auf723.
716 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 2 (wie Anm. 32) 445.
717 Ähnlich Ders., Erinnerungen (Bibl.) 59 : „In dem fortschreitenden Materialismus, der in den jungen Demo-
kratien wucherte, verkannten die Menschen den hohen Wert geistiger Güter. Monarchien entfalten eine Welt
idealer und kultureller Gehalte. An den alten Adelshöfen wurden einst die Genies gezüchtet.“
718 Die auch seine weitgehende Bedeutungslosigkeit in der NS-Zeit erklärt, denn „Was immer ‚Hitlers Volks-
staat‘ […] gewesen ist : ein Staat der Völkischen war er nicht, jedenfalls nicht in dem Sinne, daß Völkische in
ihm eine herausragende Rolle gespielt hätten“, so Stefan Breuer, Die Völkischen in Deutschland. Kaiser-
reich und Weimarer Republik (Darmstadt 22010) 251.
719 AdR, BPA 83, 2057.
720 OBerkofler, In memoriam (Bibl.) 144 ; Ders., Die geschichtlichen Fächer (wie Anm. 26) 150 ; Schmidt,
Adolf Helbok † (Bibl.) 177 ; Timmel, Helbok (Bibl.) 23.
721 AdR, BPA 83, 2057.
722 HelBok, Deutsche Volksgeschichte 2 (wie Anm. 32) 481.
723 AdR, BPA 83, 2057.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625