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386 Janez Mlinar
3. akademische karriere
Das unterbrochene Studium beendete Saria erst drei Jahre später, als er seine Doktorar-
beit auf dem Gebiet der Urgeschichte und der Klassischen Archäologie schrieb und im
Dezember 1921 promoviert wurde. Die Wahl des Themas war kein Zufall. In seiner von
Emil Reisch und Emanuel Löwy approbierten Arbeit „Zur Entwicklung des mithrischen
Kultbildes“ widmete er sich den Fragen, die durch die Vorkriegsausgrabungen in Pettau
angestoßen worden waren, und versuchte, deren Ergebnisse in einen breiteren Kontext
einzuordnen. Die von der Fachwelt geschätzte Arbeit „bedeutet einen dankenswerten
Schritt nach vorwärts in dem Gewirre von Problemen, die mit dem Mithraskult verknüpft
sind“25. Als aussichtsreicher Student wurde er schon bald in die Arbeit des Archäologisch-
Epigraphischen Seminars einbezogen : Im Wintersemester 1919/20 war er Stipendiat des
erwähnten Seminars und ab Sommersemester 1920 war er dort als Bibliothekar tätig.
In dieser Zeit wurde Saria zum ersten Mal mit einer wichtigen Entscheidung kon-
frontiert. Er musste gründlich erwägen, ob er als deutsch gesinnter Steirer in Österreich
seine akademische Karriere machen oder nach Pettau zurückkehren sollte, das laut dem
Friedensvertrag von Saint-Germaine-en-Laye im neu gegründeten Königreich der Serben,
Kroaten und Slowenen lag. Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht. Zwischen November
1918 und Oktober 1919 verließen 76 deutsche Familien Pettau und der Anteil der deut-
schen Bevölkerung fiel von mehr als 80% in der Vorkriegszeit auf bescheidene 22% im
Jahr 192126. Wien als Hauptstadt der ehemaligen Habsburgermonarchie stellte noch im-
mer eines der wichtigsten wissenschaftlichen Zentren dar, und die Tätigkeit in Wien hätte
Saria eine glänzende internationale Karriere in Aussicht gestellt. Auf der anderen Seite wa-
ren aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse im vom Krieg heimgesuchten Österreich,
das hinsichtlich der Bevölkerungszahl und der Fläche auf ein bescheidenes Achtel seines
ehemaligen Umfanges schrumpft war, die Beschäftigungsmöglichkeiten äußerst gering.
Aber auch die Möglichkeit, in der alten Heimat zu bleiben, hatte viele Schattenseiten.
Die finanzielle Lage im neu formierten südslawischen Königreich war nicht viel besser
als in Österreich, das Niveau der wissenschaftlichen Produktion war bescheidener als in
Wien und nur in geringem Maß persönlichen Fortschritt versprach. Dazu kam noch ein
tiefes Misstrauen gegenüber der deutsch gesinnten Bevölkerung, das besonders in der
Untersteiermark und in Krain spürbar war. Allerdings bestand im neuen Staat in fast
allen wissenschaftlichen Einrichtungen ein großer Mangel an ausgebildeten und fähigen
25 Betz, Widmung (wie Anm. 1) 220.
26 Ljubica Šuligoj, Mestna občina Ptuj med svetovnima vojnama [Die Stadtgemeinde Pettau in der Zwischen-
kriegszeit], in : Kronika 40 (1992) 206–214.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625