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Balduin Saria (1893–1974) 387
Fachleuten, was die Beschäftigungsmöglichkeiten für einen jungen Archäologen wie Saria
beträchtlich erhöhte. Dieses Argument gab wohl den Ausschlag.
Balduin Saria dürfte während seines Aufenthalts in Wien eine weitere radikale Ent-
scheidung getroffen haben, die seine wissenschaftliche und persönliche Lebensbahn stark
prägen und bestimmen sollte. Er konvertierte von der katholischen zur evangelischen
Kirche. Dem zugänglichen Archivmaterial lässt sich leider nicht entnehmen, wann das
geschah. Allerdings wurde er während seines Aufenthalts in Belgrad regelmäßig zu den
Treffen der dortigen evangelischen Gemeinde eingeladen und war aktiv in deren Tätigkeit
einbezogen27. Ungeklärt bleiben auch die Gründe für eine derart drastische Entscheidung.
In welchem Ausmaß sich persönliche religiöse Überzeugung mit äußeren – vor allem
durch die Los-von-Rom Bewegung beeinflussten – politischen Gründen verknüpften, ist
nicht klar28. Die erwähnte Bewegung, die nach der Verkündung der Badeni’schen Sprach-
verordnungen vom Jahr 1897 die österreichischen Länder erfasste, fiel auch in der Unter-
steiermark auf fruchtbaren Boden. Das Bistum Lavant verzeichnete zwischen 1897 und
1913 insgesamt 1653 Kirchenaustritte mit dem Höhepunkt zwischen 1904 und 191029.
Die evangelische Gemeinde in Pettau gewann beträchtlich an Stärke. Ihre Mitgliedzahl
stieg von 105 im Jahre 1900 auf 181 im Jahre 1910. Allerdings ist zu betonen, dass die
gestiegene Anzahl nicht nur die Folge der Übertritte war, sondern die auch einer erhebli-
chen Bevölkerungseinwanderung.
Im August 1922 knüpfte Saria auf einer Archäologentagung in Dobrna in der Nähe
von Cilli wahrscheinlich seine ersten Kontakte mit Kollegen aus dem neu gegründeten
Staat30. Bald bot sich die Möglichkeit für seine erste Dauerstellung. Vladimir Petković,
der angesehene serbische Kunsthistoriker und Archäologe, hatte wenige Monate zuvor
die Leitung des Serbischen Nationalmuseums übernommen und die Neugestaltung der
Sammlungen nach modernen musealen Prinzipien begonnen. Für einen derart ambiti-
onierten Plan fand er den frischgebackenen Doktor Saria durchaus geeignet. Nach an-
fänglichen Schwierigkeiten rief Petković Ende November Saria auf, unverzüglich nach
Belgrad zu kommen31. Die Zufriedenheit mit der neuerlangten Stelle äußerte Saria in
27 ZAP 6 (wie Anm. 10) K. 30.
28 Allgemein zum Thema siehe Karl-Reinhart Trauner, Die Los-von-Rom-Bewegung. Gesellschaftspolitische
und kirchliche Strömung in der ausgehenden Habsburgermonarchie (Szentendre 22006).
29 Cvirn, Trdnjavski trikotnik (wie Anm. 20) 241.
30 Über die Tagung in Dobrna berichtete auch Tageszeitungen in Slowenien. Vgl. Jutro [Morgen], Jg. 3, Nr. 204
(29.08.1922) 2.
31 Im Oktober und November 1922 schrieb Petković mehrere Briefe an Saria in Pettau, in denen er ihm über
seine Bemühungen für sein Unterkunft und Finanzierung berichtet. Als vorübergehende Lösung bot er ihm
an, in einem Zimmer des Nationalmuseums zu wohnen. Vgl. ZAP 6 (wie Anm. 10) K. 29. Petković an Saria,
26.10.1922, 22.11.1922, 30.11.1922.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625