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506 Alfred Werner Höck
Kenner des gesamten germanischen Kulturkreises ist115. Dieser hier angesprochene Einsatz
sollte den Abteilungsleiter Wolfram schon bald nach Südtirol und in die Gottschee führen.
9. professur an der universität wien
Mit seiner Ernennung am 29. Juni 1939 zum außerplanmäßigen Universitätsprofessor für
„germanische und deutsche Volkskunde“ gelang Wolfram der ersehnte Karrieresprung.
Die Erlangung einer Professur für Volkskunde stand Wolfram schon zu Beginn seiner
wissenschaftlichen Laufbahn vor Augen, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen
derartigen Lehrstuhl an der Universität Wien gab. Bereits 1930 erwähnt er : Es sind Bestre-
bungen und Intrigen in vollem Gange, hier eine Volkskundeprofessur aufzumachen. Im Reich
hat der Volkskundeatlas die Subvention von 6 Millionen Mark bekommen, und das scheint
unseren Herrschaften aufgestunken zu sein. Mit einem Wort, die Vk beginnt wissenschaftsrein
zu werden. […] Wenn jetzt aber jemand berufen werden soll, dann stehen meine Aktien
natürlich sehr ungünstig. Damit ist meine Zukunft hier verrammelt116. Mit der Ideologi-
sierung der Wissenschaft unter den neuen nationalsozialistischen Machthabern gelang-
ten die „Volkstumswissenschaften“ zu einer neuen Bedeutung, darunter die Volkskunde.
Bei den nun entbrannten Positionskämpfen zwischen den Vertretern der „schwarzen“
(Himmlers „Ahnenerbe“) und „braunen“ (Amt Rosenberg) Volkskunde, in denen sich die
unversöhnlichen Gegner der nunmehr Jahrzehnte alten Auseinandersetzungen zwischen
den Wiener Ritualisten und den Mondmythologen wieder gegenüberstanden, kann das
„Ahnenerbe“ sich mit der Besetzung der neu geschaffenen Professur mit Wolfram durch-
setzen, sehr zum Missfallen seiner Gegner117. Vor dem Hintergrund dieser Machtkämpfe,
in denen sich ideologische Frontstellungen, Karriereaspekte und institutionelle Konkur-
renz mit langjährigen persönlichen Feindschaften vermischten, sind auch zwei Gutachten
zu sehen, in denen Wolfram in der Folge gegen seinen alten Intimfeind, Karl von Spiess,
einem Vertreter der dem Amt Rosenberg nahestehenden Mythologenschule, Stellung be-
zog. Bereits Ende 1939 verfasste er auf Ersuchen des SD (Sicherheitsdienst der SS) Wien
ein erstes Gutachten über Spiess118. Er zählte Spiess zu einem Kreis, dessen Mitglieder
er als deutschtümelnde Phantasten und absonderliche Mitläufer der nationalen Bewegung119
115 Sievers, Arbeitsbericht (wie Anm. 105).
116 SLIVK, NRW, Briefe 21660-N : Wolfram an Höfler, datiert 07.07.1939.
117 Zur Besetzung der Professur siehe Bockhorn, Angelegenheit (wie Anm. 5) insbes. 215–221. Darin werden
die Hintergründe und Interessenkonstellationen, die zu Wolframs Ernennung führten, unter Verwendung
der Dokumente des Universitätsarchives dargestellt.
118 Siehe BAB, NS 21 : Wolfram an Sievers, Ahnenerbe Berlin-Dahlem, datiert 10.11.1939.
119 SLIVK, NRW, Typoskripte 18471-N : Wolfram, Gutachten über Spiess, pag. 1.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625