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520 Alfred Werner Höck
sich alles sehr eingehend an und ich konnte eine volle Stunde mit ihm reden. Dabei zeigte er sich
sehr beeindruckt. Die Rede kam auch darauf, was nun zu tun sei in meinem Falle. Er machte
sich ein paar Notizen und bot selbst an, im Unterrichtsministerium vorzusprechen und zu
betonen, daß vom Standpunkt der Südtirolfrage größtes Interesse daran bestehe, daß ich wieder
die Volkskundeprofessur bekäme. Auch für die Publikation meines Materials interessierte sich
Gschnitzer sehr178. Doch die Hoffnungen auf eine Professur zerschlugen sich zunächst179.
Bald danach verschob sich die Problematik von Wien nach Innsbruck, als Gschnitzer
Wolframs Projektvorschlag an den für Südtirol zuständigen Landesrat Aloys Oberhammer
in Innsbruck weiterleitete, der zugleich Obmann der Tiroler Volkspartei war und den ra-
dikalen Flügel der Südtirol-Aktivisten unterstützte180. In einem Brief an Helbok erläuterte
Wolfram seine Motivation und erläuterte, warum er für die Tiroler eine gute Wahl sei :
Das alles ist ein gewaltiges Programm. So weit ich kann, arbeite ich ja jede Minute daran
[…] Hier geht es um eines der herrlichsten Stücke unseres Landes und Volkes. Darum bin ich
geradezu als eine Art Südtiroler Prophet nach 1945 durch die Lande gereist und habe ständig
Lichtbildervorträge über Südtirol gehalten. Zusammen wohl rund 100 Stück ! Darunter recht
wichtige in Chur, Zürich, Basel, Bern, München, Stuttgart, Köln, Stockholm usf. In welchem
Geiste, lässt sich denken. […] Daß ich nach modernsten Methoden der Feldforschung arbeite,
weißt Du auch. Die Innsbrucker würden kein Risiko eingehen, wenn sie mich unterstützen181.
Wolframs Arbeitsvorschlag fand bei Oberhammer positive Aufnahme, sodass sich dieser
auch zu Finanzierungen bereit erklärte. In seiner Antwort wies Wolfram auf die anstehen-
den Kosten für die Reisen nach Südtirol und in das Trentino hin, und erläuterte : Gerade
die empörenden Dinge der letzten Zeit sollten jeden doch alles daran setzen lassen, für Südtirol
zu wirken. Und hier kann tatsächlich etwas Wichtiges geschehen. Italien begann 1906 durch
eine eigene Zeitschrift und Buchserie die Annexion Südtirols vorzubereiten. Von unserer Seite
müssen in einer Reihe von Großpublikationen die Gegenbeweise geführt werden. Streng exakt
(im Gegensatz zu den italienischen Veröffentlichungen). Den Erscheinungen der Volkskultur
kommt dabei ein großes Gewicht zu. Mittels der kartographischen Methode lässt sich auch für
den Nichtfachmann auf einen Blick anschaulich machen, wie die Dinge liegen182. Zur Finan-
zierung von Wolframs Arbeiten nutzte Oberhammer auch Kontakte in die Bundesrepublik
Deutschland. Dies geht aus seinem Brief im April 1959 an Wolfram hervor : […] dass ich
über Ihr Vorhaben an Herrn Prof. Zender in Bonn und DDr. H. Pünder in Köln geschrieben
178 SLIVK, NRW, Briefe 21509-N : Richard Wolfram an Adolf Helbok, datiert 27.06.1958.
179 Ebd.
180 Siehe Gehler, Tirol (wie Anm. 173) 306. Aloys Oberhammer, Politiker (ÖVP) und Landesbeamter, 1950–
1957 Abgeordneter zum Nationalrat, 1957–1961 Landesrat in der Tiroler Landesregierung. 1956-1961 Ti-
roler Landesparteiobmann der ÖVP.
181 SLIVK, NRW, Briefe 21504-N : Wolfram an Helbok, datiert 29.11.1958.
182 Ebd. Briefe 22375-N : Wolfram an Oberhammer, Tiroler Landesregierung, datiert 11.03.1959.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625