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Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Seite - 593 -
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Seite - 593 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3

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Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984) 593 gesprochen283. Die Zusammenarbeit mit der ÖVP trug erst während der ersten Regierung unter Raab Früchte, als Borodajkewycz an die Hochschule für Welthandel berufen wurde. Ungefähr bis zur Zeit des Verlusts seiner Position beim Verlag Otto Müller blieb Bo- rodajkewycz der Meinung, die er in August 1947 Höttl mitteilte, dass er für eine Ge- schichtsprofessur an einer gegenwärtigen Hochschule nicht geeignet sei. Eine Hochschule war für ihn seit dem NS-Regime zu einem zu sehr politischen Ort geworden, zudem schätzte er in seiner Überheblichkeit die neuen Geschichtsprofessoren an den Universi- täten nicht und äußerte, dass ich bereits nach 10 Minuten nicht wüsste, was ich heute als Historiker sagen soll 284. Diese Worte spiegeln neben einem versteckten Neid auch sein Empfinden einer Entwurzelung aus dem damals aktuellen geschichtswissenschaftlichen Diskurs wider, in dem auf die Idee eines selbständigen Staates Österreichs gesetzt wurde, während die gesamtdeutsche Geschichtsauffassung seines Lehrers Srbik völlig aus dem akzeptierten Geschichtsnarrativ verdrängt worden war285. Diese Entwurzelung erstreckte sich für ihn vom Kriegsende bis ungefähr in die Mitte der 1950er-Jahre, als er sich als ein zielloser und Fremder aus einer alten Welt empfand286 und nostalgisch auf die ver- 283 Ebd., Bundeskanzleramt an Borodajkewycz vom 17.11.1951. Borodajkewycz verstand diese Entscheidung als ein Zeichen von Ungnade der Regierung gegenüber ehemaligen Nationalsozialisten. In einer brutalen Art, die sich nicht einmal mehr die Mühe nimmt, auch nur die Form zu wahren, ärgerte er sich im Schreiben an Raab vom 15.11.1951 (ÖStA KA, NL TB, Sig. B1251/128, wie Anm. 281) nach einem Besuch bei Sektionschef Dr. Chaloupka, wird mir der Stuhl vor die Türe gestellt, wird mir gezeigt, dass ich für gegenwärtige Regime nur ein Paria bin, mit dem man Willkür verfahren kann. […] Das [Zusammenarbeit mit ÖVP] scheint für das Kanzleramt ganz uninteressant zu sein, es radiert diese Zeit einfach aus, um mich desto bequemer als ehemaligen Nationalsozialisten behandeln zu können. Es wünscht wohl gar nicht, dass ehemalige Nationalsozialisten wieder loyale Staatsbürger werden, weil es einfacher und billiger ist, sie als Staatsfeinde abtun zu können ! 284 Ich bin fest überzeugt, dass die grosse Epoche unserer Universitäten zu Ende ist. Sie war untrennbar verbunden mit dem liberal-humanistischen Prinzip der freien Wissenschaft. Du weisst welche Schwierigkeiten ich schon mit mei- ner unverdorbenen und gewissenhaften Auffassung von Wissenschaft in der abgelaufenen Epoche hatte. Man hat mir schliesslich in Prag den Stuhl vor die Tür gestellt. Ich habe keine Lust, mich nochmals auf eine Lehrkanzel zu stellen und als „Gelehrter“ das nachzuplappern, was mir wieder irgendeine Politik vorschreibt. Dabei geht mir der Verkehr mit der akademischen Jugend sehr ab. […] Dazu kommt das jammervolle Aussehen, das die Universitäten heute haben. Heinrichs [Srbik] Stelle hat Hugo Hantsch bekommen und wenn ich Dir sage, dass in Graz Alex No- wotny die neuere Geschichte verzapft, so wirst Du mich und unsere Freunde verstehen, dass wir in der Gesellschaft dieser qualligen Troglodyten nichts zu suchen haben, abgesehen davon, dass ich bereits nach 10 Minuten nicht wüsste, was ich heute als Historiker sagen soll. Ebd., Sig. 1521/187, Schreiben Borodajkewycz an Höttl vom 10.08.1947. 285 Vgl. Günter Fellner, Die österreichische Geschichtswissenschaft vom „Anschluß“ zum Wiederaufbau, in : Kontinuität und Bruch 1938–1945–1955. Beiträge zur österreichischen Kultur- und Wissenschaftsge- schichte, hg. v. Friedrich Stadler (Münster 22004) 135–155 ; Gernot Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive ? Die mittlere, neuere und österreichische Geschichte, sowie die Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien 1945–1955, in : Zukunft mit Altlasten (wie Anm. 271) 189–210. 286 Er studierte Bücher über den Nationalsozialismus und dessen Zusammenbruch sowie über die Nürnberger
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Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Titel
Österreichische Historiker
Untertitel
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Band
3
Autor
Karel Hruza
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20801-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
630
Schlagwörter
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
  2. Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
  3. Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
  4. Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
  5. Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
  6. Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
  7. Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
  8. Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
  9. Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
  10. Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
  11. Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
  12. Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
  13. Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
  14. Abkürzungsverzeichnis 607
  15. Abbildungsnachweis 610
  16. Personenregister 611
  17. Autorinnen und Autoren 625
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