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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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Aufsatz über Friedrich den Großen den deutschen Rechtsstandpunkt eingenommen, Rilke, den ich auf unserer Seite wußte, entzog sich aus Prinzip jeder öffentlichen und gemeinsamen Aktion, Dehmel, der ehemalige Sozialist, unterzeichnete seine Briefe mit kindlich-patriotischem Stolz als ›Leutnant Dehmel‹, über Hofmannsthal und Jakob Wassermann hatten mich private Gespräche belehrt, daß auf sie nicht zu zählen war. So war von deutscher Seite nicht viel zu hoffen, und Rolland erging es in Frankreich kaum besser. Es war 1914, 1915 noch zu früh, der Krieg für die Menschen des Hinterlandes noch zu weit. Wir blieben allein. Allein, aber doch nicht ganz allein. Etwas hatten wir durch unseren Briefwechsel schon gewonnen: eine erste Übersicht der paar Dutzend Menschen, auf die innerlich zu zählen war und die in neutralen oder kriegführenden Ländern gemeinsam mit uns dachten; wir konnten uns gegenseitig aufmerksam machen auf Bücher, Aufsätze, Broschüren hüben und drüben, ein gewisser Kristallisationspunkt war gesichert, an den sich – zögernd zuerst, aber immer stärker durch den immer lastenderen Druck der Zeit – neue Elemente ansetzen konnten. Dieses Gefühl, nicht völlig im Leeren zu stehen, machte mir Mut, öfters Aufsätze zu schreiben, um durch die Antworten und Reaktionen all die Vereinzelten und Verborgenen, die mit uns fühlten, ans Licht zu ziehen. Ich hatte immerhin die großen Zeitungen Deutschlands und Österreichs zur Verfügung und damit einen wichtigen Wirkungskreis, ein prinzipieller Widerstand der Behörden war nicht zu befürchten, da ich nie ins Aktuell-Politische übergriff. Noch war unter der Einwirkung des liberalistischen Geistes der Respekt vor allem Literarischen sehr stark, und wenn ich die Aufsätze überlese, die es mir damals gelang in die breiteste Öffentlichkeit zu schmuggeln, so kann ich den österreichischen Militärbeamten meinen Respekt für ihre Großzügigkeit nicht versagen; ich konnte immerhin mitten im Weltkriege die Begründerin des Pazifismus, Berta von Suttner, begeistert rühmen, die den Krieg als das Verbrechen der Verbrechen brandmarkte, und über Barbusses ›Le Feu‹ in einer österreichischen Zeitung ausführlich berichten. Eine gewisse Technik mußten wir uns freilich zurechtlegen, während wir diese unsere unzeitgemäßen Anschauungen während einer Kriegszeit weiten Kreisen übermittelten. Um das Grauen des Krieges, die Gleichgültigkeit des Hinterlandes darzustellen, war es in Österreich natürlich nötig, das Leiden eines ›französischen‹ Infanteristen in einem Aufsatz über ›Le Feu‹ hervorzuheben, aber Hunderte von Briefen von der österreichischen Front zeigten mir, wie deutlich die Unseren ihr eigenes Schicksal erkannt. Oder wir wählten, um unsere Überzeugungen auszusprechen, das Mittel des scheinbaren gegenseitigen Angriffs. So polemisierte im ›Mercure de France‹ einer meiner französischen Freunde gegen meinen Aufsatz ›Den Freunden im Fremdland‹; aber indem er 181
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Titel
Die Welt von Gestern
Untertitel
Erinnerungen eines Europäers
Autor
Stefan Zweig
Datum
1942
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
320
Schlagwörter
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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