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Steigung trotz Pusten und Pfeifen nicht mehr bewältigen. Aufgeregt liefen die
Beamten im Finstern mit ihren qualmenden Laternen hin und her. Es dauerte
eine Stunde, ehe eine Hilfsmaschine heranschnaufte, und abermals benötigte
man dann statt sieben siebzehn Stunden, ehe man nach Salzburg kam. Kein
Träger weit und breit an der Station; schließlich boten sich ein paar zerlumpte
Soldaten hilfreich an, das Gepäck bis zu einem Wagen zu schaffen, aber das
Pferd der Droschke war so alt und schlecht genährt, daß es eher von der
Deichsel aufrechtgehalten schien als sie zu ziehen bestimmt. Ich fand nicht
den Mut, diesem gespenstischen Tier noch eine Leistung zuzumuten, indem
ich den Wagen mit den Koffern belastete, und ließ sie, freilich voll Sorge, sie
nie mehr wiederzusehen, im Bahnhofsdepot.
Ich hatte mir während des Krieges in Salzburg ein Haus gekauft, denn die
Entfernung von meinen früheren Freunden wegen unserer gegensätzlichen
Einstellung zum Kriege hatte in mir das Verlangen erweckt, nicht mehr in
großen Städten und unter vielen Menschen zu leben; meine Arbeit hat später
auch überall Nutzen von dieser zurückgezogenen Lebensform gehabt.
Salzburg schien mir von allen österreichischen Kleinstädten nicht nur durch
seine landschaftliche, sondern auch durch seine geographische Lage die
idealste, weil am Rande Österreichs gelegen, zweieinhalb Eisenbahnstunden
von München, fünf Stunden nach Wien, zehn Stunden nach Zürich oder
Venedig und zwanzig nach Paris, also ein richtiger Abstoßpunkt nach Europa.
Freilich war es damals noch nicht die durch ihre Festspiele berühmte (und im
Sommer snobistisch sich gebärdende) Rendezvousstadt der ›Prominenten‹
(sonst hätte ich sie mir nicht als Arbeitsort gewählt), sondern ein
antiquarisches, schläfriges, romantisches Städtchen am letzten Abhänge der
Alpen, die dort mit Bergen und Hügeln sanft in das deutsche Flachland
übergehen. Der kleine bewaldete Hügel, auf dem ich wohnte, war gleichsam
die letzte abklingende Welle dieses gewaltigen Bergzugs; unzugänglich für
Autos und nur auf einem drei Jahrhunderte alten Kalvarienweg mit mehr als
hundert Stufen zu erklimmen, bot er als Entgelt für diese Mühsal von seiner
Terrasse einen zauberhaften Blick über Dächer und Giebel der vieltürmigen
Stadt. Dahinter weitete sich das Panorama über die glorreiche Kette der Alpen
(freilich auch auf den Salzberg bei Berchtesgaden, wo ein damals völlig
unbekannter Mann namens Adolf Hitler mir bald gegenüber wohnen sollte).
Das Haus selbst erwies sich als ebenso romantisch wie unpraktisch. Im
siebzehnten Jahrhundert Jagdschlößchen eines Erzbischofs und an die
mächtige Festungsmauer angelehnt, war es zu Ende des achtzehnten
Jahrhunderts zur Rechten und zur Linken um je ein Zimmer erweitert worden;
eine prächtige alte Tapete und eine bemalte Kegelkugel, mit der Kaiser Franz
1807 bei einem Besuche in Salzburg eigenhändig im langen Gang dieses
unseres Hauses Kegel geschoben, nebst einigen alten Pergamenten der
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Die Welt von Gestern
Erinnerungen eines Europäers
- Titel
- Die Welt von Gestern
- Untertitel
- Erinnerungen eines Europäers
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1942
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 320
- Schlagwörter
- Biographie, Litertaur, Schriftsteller
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- Die Welt der Sicherheit 10
- Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
- Eros Matutinus 56
- Universitas vitae 74
- Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
- Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
- Über Europa hinaus 135
- Glanz und Schatten über Europa 145
- Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
- Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
- Im Herzen Europas 189
- Heimkehr nach Österreich 208
- Wieder in der Welt 224
- Sonnenuntergang 240
- Incipit Hitler 263
- Die Agonie des Friedens 286