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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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zurückgerufen. Aber das lag alles noch im Fernen. Äußerlich schien 1924 die wüste Phantasmagorie vorüber wie ein Irrlichttanz. Es war wieder heller Tag, man sah, wo aus und wo ein. Und schon grüßten wir in dem Aufstieg der Ordnung den Anfang einer dauernden Beruhigung. Abermals, abermals meinten wir, der Krieg sei überwunden, Toren, unheilbare, wie wir es immer gewesen. Jedoch dieser trügerische Wahn, er hat uns immerhin ein Jahrzehnt der Arbeit, der Hoffnung und selbst der Sicherheit geschenkt. Von heute aus gesehen, stellt das knappe Jahrzehnt zwischen 1924 und 1933, vom Ende der deutschen Inflation bis zur Machtergreifung Hitlers trotz allem und allem eine Pause dar in der Aufeinanderfolge von Katastrophen, deren Zeugen und Opfer unsere Generation seit 1914 gewesen ist. Nicht daß es innerhalb dieser Epoche an einzelnen Spannungen, Erregungen und Krisen gefehlt hätte – jene wirtschaftliche von 1929 vor allem –, aber innerhalb dieses Jahrzehnts schien in Europa der Friede gewährleistet, und schon dies bedeutete viel. Man hatte Deutschland in allen Ehren in den Völkerbund aufgenommen, mit Anleihen seinen wirtschaftlichen Aufbau – in Wirklichkeit seine heimliche Aufrüstung – gefördert, England hatte abgerüstet, in Italien Mussolini den Schutz Österreichs übernommen. Die Welt schien sich wieder aufbauen zu wollen. Paris, Wien, Berlin, New York, Rom, die Siegerstädte ebenso wie jene der Besiegten, wurden schöner als je, das Flugzeug beschwingte den Verkehr, die Paßvorschriften linderten sich. Die Schwankungen zwischen Währungen hatten aufgehört, man wußte, wieviel man einnahm, wieviel man ausgeben durfte, die Aufmerksamkeit war nicht mehr so fieberhaft auf diese äußerlichen Probleme gerichtet. Man konnte wieder arbeiten, sich innerlich sammeln, an geistige Dinge denken. Man konnte sogar wieder träumen und auf ein geeintes Europa hoffen. Einen Weltaugenblick – diese zehn Jahre – schien es, als sollte unserer geprüften Generation wieder ein normales Leben beschieden sein. In meinem persönlichen Leben war das Bemerkenswerteste, daß in jenen Jahren ein Gast in mein Haus kam und sich dort wohlwollend niederließ, ein Gast, den ich nie erwartet hatte – der Erfolg. Es ist mir begreiflicherweise nicht sehr behaglich, des äußeren Erfolgs meiner Bücher Erwähnung zu tun, und in einer normalen Situation hätte ich auch den flüchtigsten Hinweis unterlassen, der als Selbstgefälligkeit oder Prahlerei gedeutet werden könnte. Aber ich habe ein besonderes Recht und bin sogar gezwungen, diese Tatsache in der Geschichte meines Lebens nicht zu verschweigen, denn dieser Erfolg ist seit sieben Jahren, seit Hitlers Ankunft ein historischer geworden. Von den Hunderttausenden und sogar Millionen meiner Bücher, die im Buchhandel und unzähligen Häusern ihre sichere Stätte hatten, ist heute in Deutschland 232
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Titel
Die Welt von Gestern
Untertitel
Erinnerungen eines Europäers
Autor
Stefan Zweig
Datum
1942
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
320
Schlagwörter
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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