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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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aber er folgte mir in überraschend zäher Weise nach. So hatte ich zu meinem privaten Vergnügen ein Buch geschrieben, die Biographie Fouchés; als ich es dem Verleger sandte, schrieb er mir, er gebe zehntausend Exemplare sofort in Druck. Ich beschwor ihn umgehend, nicht soviel von diesem Buch zu drucken. Fouché sei eine unsympathische Figur, das Buch enthalte keine einzige Frauenepisode und könne unmöglich einen größeren Kreis von Lesern heranziehen; er solle lieber zunächst nur fünftausend drucken. Nach einem Jahr waren fünfzigtausend Exemplare in Deutschland verkauft, im selben Deutschland, das heute keine Zeile von mir lesen darf. Ähnlich ging es mir bei meinem fast pathologischen Selbstmißtrauen mit meiner Bearbeitung des ›Volpone‹. Ich hatte vor, eine Fassung in Versen zu machen und schrieb mir in neun Tagen leicht und locker in Prosa die Szenen hin. Da zufällig das Hoftheater in Dresden, dem ich durch die Erstaufführung meines Erstlings ›Thersites‹ mich moralisch verpflichtet fühlte, in diesen Tagen angefragt hatte nach neuen Plänen, sandte ich ihm die Prosafassung, mich entschuldigend: was ich vorlege, sei nur eine erste Skizze für die geplante Ausarbeitung in Versen. Aber das Theater telegraphierte sofort zurück, ich solle um Himmels willen nichts ändern; tatsächlich ist das Stück in dieser Form dann über alle Bühnen der Welt gegangen (in New York bei der Theatre Guild mit Alfred Lunt). Was immer ich in jenen Jahren unternahm, – der Erfolg und eine ständig wachsende deutsche Leserschaft blieb mir treu. Da ich es immer als meine Pflicht empfand, bei fremden Werken oder Gestalten biographisch oder essayistisch den Ursachen ihrer Wirkung oder Unwirkung innerhalb ihrer Zeit nachzugehen, konnte ich in manchen nachdenklichen Stunden nicht umhin, mich zu fragen, in welcher besonderen Eigenschaft meiner Bücher ihr für mich so unvermuteter Erfolg eigentlich begründet war. Letzten Endes glaube ich, stammt er von einer persönlichen Untugend her, nämlich daß ich ein ungeduldiger und temperamentvoller Leser bin. Jede Weitschweifigkeit, alles Schwelgerische und Vage-Schwärmerische, alles Undeutliche und Unklare, alles Überflüssig-Retardierende in einem Roman, einer Biographie, einer geistigen Auseinandersetzung irritiert mich. Nur ein Buch, das ständig, Blatt für Blatt, die Höhe hält und bis zur letzten Seite in einem Zuge atemlos mitreißt, gibt mir einen vollkommenen Genuß. Neun Zehntel aller Bücher, die mir in die Hand geraten, finde ich mit überflüssigen Schilderungen, geschwätzigen Dialogen und unnötigen Nebenfiguren zu sehr ins Breite gedehnt und darum zu wenig spannend, zu wenig dynamisch. Selbst bei den berühmtesten klassischen Meisterwerken stören mich die vielen sandigen und schleppenden Stellen, und oft habe ich Verlegern den kühnen Plan entwickelt, einmal in einer übersichtlichen Serie die ganze Weltliteratur von Homer über Balzac und Dostojewskij bis zum ›Zauberberg‹ mit gründlicher Kürzung des individuell Überflüssigen 234
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Titel
Die Welt von Gestern
Untertitel
Erinnerungen eines Europäers
Autor
Stefan Zweig
Datum
1942
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
320
Schlagwörter
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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