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Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers
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Schuberts, Josef Teltscher, an jenem 26. März, da Beethoven im Todeskampfe lag, versucht hatte, den Sterbenden zu zeichnen, aber von dem Hofrat Breuning, der dies als pietätlos empfand, aus dem Sterbezimmer gewiesen worden war. Hundert Jahre waren diese Zeichnungen verschollen, bis bei einer kleinen Versteigerung in Brünn mehrere Dutzend Skizzenbücher dieses Malerchens spottbillig verkauft wurden, in denen sich dann plötzlich diese Skizzen fanden. Und wie nun wiederum Zufall an Zufall sich fügt, rief mich eines Tages ein Händler an, ob ich Interesse hätte für das Original der Zeichnung am Sterbebette Beethovens. Ich antwortete, das besäße ich doch selbst, aber dann stellte sich heraus, daß das neu mir angebotene Blatt das Original der später so berühmt gewordenen Lithographie Danhausers von Beethoven auf dem Totenbette war. Und so hatte ich nun alles beisammen, was diesen letzten, denkwürdigen und wahrhaft unvergänglichen Augenblick in einer optischen Form bewahrte. Daß ich mich nie als den Besitzer dieser Dinge empfand, sondern nur als ihren Bewahrer in der Zeit, war selbstverständlich. Nicht das Gefühl des Habens, des Für-mich-Habens lockte mich, sondern der Reiz des Vereinens, die Gestaltung einer Sammlung zum Kunstwerk. Ich war mir bewußt, mit dieser Sammlung etwas geschaffen zu haben, was als Gesamtheit des Überdauerns würdiger war als meine eigenen Werke. Trotz vielen Angeboten zögerte ich, einen Katalog zusammenzustellen, weil ich doch noch mitten im Bau und am Werke war und ungenügsam manche Namen und manche Stücke in den vollkommensten Formen noch entbehrte. Meine wohlerzogene Absicht war, diese einmalige Sammlung nach meinem Tode demjenigen Institut zu überlassen, das meine besondere Bedingung erfüllen würde, nämlich alljährlich eine bestimmte Summe auszusetzen, um die Sammlung weiterhin in meinem Sinne zu vervollständigen. So wäre sie nicht ein starres Ganzes geblieben, sondern lebendiger Organismus, fünfzig und hundert Jahre über mein eigenes Leben hinaus sich ergänzend und vervollständigend zu einer immer schöneren Ganzheit. Aber unserer geprüften Generation ist es versagt, über sich hinaus zu denken. Als die Zeit Hitlers einsetzte und ich mein Haus verließ, war die Freude an meinem Sammeln dahin und auch die Sicherheit, irgend etwas bleibend zu erhalten. Eine Zeitlang ließ ich noch Teile in Safes und bei Freunden, aber dann entschloß ich mich, gemäß Goethes mahnendem Wort, daß Museen, Sammlungen und Rüstkammern, wenn man sie nicht fortentwickle, in sich erstarren, lieber Abschied zu nehmen von einer Sammlung, der ich meine gestaltende Mühe weiter nicht mehr geben konnte. Einen Teil schenkte ich zum Abschied der Wiener Nationalbibliothek, hauptsächlich jene Stücke, die ich selbst von zeitgenössischen Freunden zum Geschenk erhalten, einen Teil veräußerte ich, und was mit dem Rest geschah 259
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Die Welt von Gestern Erinnerungen eines Europäers
Titel
Die Welt von Gestern
Untertitel
Erinnerungen eines Europäers
Autor
Stefan Zweig
Datum
1942
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
320
Schlagwörter
Biographie, Litertaur, Schriftsteller
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Die Welt der Sicherheit 10
  3. Die Schule im vorigen Jahrhundert 29
  4. Eros Matutinus 56
  5. Universitas vitae 74
  6. Paris, die Stadt der ewigen Jugend 98
  7. Umwege auf dem Wege zu mir selbst 122
  8. Über Europa hinaus 135
  9. Glanz und Schatten über Europa 145
  10. Die ersten Stunden des Krieges von 1914 160
  11. Der Kampf um die geistige Brüderschaft 177
  12. Im Herzen Europas 189
  13. Heimkehr nach Österreich 208
  14. Wieder in der Welt 224
  15. Sonnenuntergang 240
  16. Incipit Hitler 263
  17. Die Agonie des Friedens 286
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