Die prähistorische Holztreppe von Hallstatt#
In einer Abbaukammer aus der Bronzezeit in 100 m Tiefe, im "Christian von Tusch-Werk" des Hallstätter Salzbergwerks, wurde die älteste bekannte Holztreppe Europas - vielleicht der Welt - entdeckt.
1992 war mit der Ausgrabung einer Abbaukammer aus der Bronzezeit, in der im 15.- 12. Jhd. v. Chr. Salz abgebaut wurde, begonnen. Im Zuge der systematischen Erkundung dieser Abbaukammer konnte 2003 eine Treppe entdeckt und in den folgenden Jahren freigelegt werden. Bereits 2006 wurde die Stiege mit Hilfe von 3D Laserscannern dreidimensional dokumentiert. Die völlig unversehrte Holztreppe wurde auf 1343 v. Chr. datiert, das ist wenige Jahre vor der Geburt des ägyptischen Pharaos Tutanchamun 1341 v. Chr. Die Stiege hat sich somit über 3.350 Jahre in gutem Zustand erhalten.
Bisher liegt die Treppe an jenem Ort, an dem sie vor über 3.000 Jahren platziert wurde. Durch den prähistorischen Bergbau ist aber das umgebende Gebirge so instabil, dass der unversehrte Verbleib der Stiege nicht mehr länger gewährleistet werden kann.
Daher wird das Fundstück in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt in einer gemeinsam von den Salzwelten und dem NHM Wien durchgeführten Aktion an einen sicheren Ort verlagert werden, wo sie auch dem Publikum zugänglich sein wird.
Um den Transport der 8 m langen und 1,5 m breiten Holzkonstruktion vornehmen zu können, muss die Stiege in ihre Einzelteile zerlegt werden. Das ist nicht ganz unproblematisch, andererseits aber nicht so schwierig, weil die Auftritte nur in eine Nut eingesetzt sind. Bei dieser Gelegenheit können eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen aus den verschiedensten Disziplinen angestellt werden. Zunächst geht es um die Altersbestimmung. Das Schlagdatum der die Treppe bildenen Hölzer kann mit Hilfe der Dendrochronologie (Datierungsmethode von Bäumen nach Jahresringen) jahrgenau auf 1344 und 1343 v. Chr. bestimmt werden. Es wird also nicht die Radiokarbonmethode angewendet - die Jahresringe geben präzisere Auskunft. Weiters strebt man die Analyse von DNA-Spuren an, die sich in den Überresten zwischen den einzelnen Holzbrettern finden. Daraus hofft man Alter und Geschlecht der im Berg Beschäftigten bestimmen zu können.
Die Arbeitsausrüstung im prähistorischen Salzbergbau#
Die Stiege – ein bewunderswertes Werk technischer Perfektion#
Die Holztreppe diente dem Verkehr zwischen veschiedenen Abbauniveaus. Um von einer Kammer zur nächsten transportiert werden zu können, musste die Treppe zerlegbar sein. Um sie den unterschiedlichen Bedingungen im Berg anpassen zu können, musste die Neigung verstellbar sein, und die Einzelteile mussten bei Bruch austauschbar sein. Daher wurden die Auftritte nicht fest mit den Stiegenwangen verbunden, sondern drehbar gelagert und nur durch Distanzbretter fixiert. Die hier wiedergegebene Konstruktionsskizze zeigt den Aufbau.
Die erstaunliche Auftrittsbreite der Holztreppe von 1,20 m gewährleistete zum einen den Transport von sehr schweren Objekten, zum anderen die Mannsfahrt und den Transport von Tragsäcken im Gegenverkehrsbetrieb.
Die nun zur Verlagerung kommende Stiege ist kein Einzelstück, denn Teile von solchen Stiegen kommen an mehreren Stellen im Hallstätter Salzberg vor. Es dürfte sich bei dieser Konstruktion um die übliche Steighilfe im bronzezeitlichen Salzbergwerk handeln. Wahrscheinlich existierten mindestens zwei Varianten: eine breitere, die in den Abbauhallen auf dem Betriebsabfall lag und somit Fortbewegung und Transport erleichterte, und eine schmälere für die Mannsfahrt im Schacht.
Die Stiege ist insgesamt 8 m lang und liegt auf dem sogenannten "Heidengebirge" – dem prähistorischen Betriebsabfall – auf. Die somit nicht freitragende Konstruktion diente zur Überwindung eines steilen Heidengebirgshaufens.
Konstruktionsplan und Bearbeitungsweise der Stiege#
Die Auftritte stecken in der Nut der beiden Stiegenwangen. Mit den kleinen Zapfen links und rechts werden die Auftritte in die Nut der Wangen eingehängt. Die Zapfen der Auftritte sind so klein gehalten, dass sie in der Nut frei drehbar sind. Dadurch kann die Stiege beinahe in jeder beliebigen Steigung zusammengesetzt werden.Die in der Nut der Stiegenwange erhaltenen Arbeitsspuren belegen, dass die Nut durch kreuzweises Hacken mit einem Bronzebeil entstand.
An der rechten Seite der Stiege sieht man den Kopf des Spannschlosses, das die beiden Wangen fixiert. Da die gesamte Stiege lediglich zusammengesteckt ist, muss sie durch ein Schloss gehalten werden. Das andere Ende wird durch einen Keil gesichert.
Der prähistorische Bergbau in Hallstatt#
Durch die vielen erhaltenen Funde ist es möglich, den Arbeitsablauf im Hallstätter Salzbergwerk vor 3.400 Jahren zu rekonstruieren.
Das Ziel der Arbeiten der letzten Jahre war es, die Treppe als einmaliges Beispiel für den prähistorischen Bergbau in Hallstatt an Ort und Stelle zu erhalten. Deshalb wurde der Raum um die Stiege mit einem Holzausbau gestützt. Diese Stützkonstruktionen mussten mehrfach erneuert werden, um dem Bergdruck standhalten zu können.
2011 wurde im Zuge der jährlichen archäologischen Untersuchungen im Bergwerk festgestellt, dass der
Bergdruck nicht nur von oben und den Seiten auf die Stiege einwirkt, sondern auch von unten. Dadurch
wurde die Holzkonstruktion in den letzten Jahren verschoben und gehoben. Damit der Bergdruck die
Stiege nicht weiter zerquetschen kann, wurde sie 2012 weiträumig freigelegt. Dabei wurden neben den
Sicherungsmaßnahmen auch viele Proben für weitere Untersuchungen genommen. Vor allem der Dreck,
welcher sich auf den Stufen im Lauf der Benutzung abgelagert hat, könnte noch viele Informationen
bergen. In den feinen Dreckschichten werden Schuh- und Fußabdrücke der prähistorischen Bergleute
vermutet. Da davon ausgegangen wird, dass auch barfuß gearbeitet wurde, sollten sich neben
Fußabdrücken auch Hornhautschuppen der Bergleute in den Schichten finden lassen. Mit Hilfe von DNA-Analysen sollte es möglich sein, Geschlecht und Alter der damals im Berg arbeitenden Personen (Frauen? Kinder?) festzustellen.
Das Zerlegen der Treppe soll von unten beginnend erfolgen. Nach der Entfernung des unteren Teils der nördlichen Stiegenwange liegen die ersten Auftritte und Distanzbretter so weit frei, dass sie abgehoben werden können. Im Weiteren wird der obere Teil der nördlichen Wange abtransportiert. Dadurch sind alle Auftritte, Distanzbretter und Spannschlösser zugänglich für die weitere Bergung. Um die Wangen leichter von der Fundstelle abtransportieren zu können, wurden bereits 2012 die Zugangsstollen zur Treppe erweitert. Dennoch ist ein Zertrennen der zum Teil 8 m langen Stiegenwangen notwendig.
Nach dem Abtrennen der Wangen werden auch diese abtransportiert. Im Anschluss daran werden alle Stiegenteile grob oberflächlich gereinigt und von allen Seiten detailliert fotografisch aufgenommen. Danach erfolgt ein 3D-Laserscan aller Einzelteile. All diese Arbeitsschritte sollen im Bergwerk Hallstatt ausgeführt werden, um das Umgebungsklima der Stiegenteile nicht allzu sehr zu verändern.
Eingeschweißt und in speziell angefertigten Transportkisten werden die Auftritte und Distanzbretter nach
Leoben gebracht und am Österreichischen Gießerei Institut mit Hilfe von Computertomographie virtuelle
Querschnitte für die Dendrochronologie angefertigt.
Neuaufstellung#
Von der Österreichischen Salinen AG und den Salzwelten soll in den Wintermonaten 2013/14 im Bereich des Schaubergwerks im festen Gebirge eine eigene Kammer für die Treppe ausgesprengt werden. Ab Frühjahr 2014 soll sie dort wieder aufgebaut werden und ab Mai 2014 als Teil der Besucherführung zu besichtigen sein. Rund um diese neu errichtete Schaustelle soll neben der Treppe auch die archäologische Arbeit im Salzbergwerk Hallstatt durch das Naturhistorische Museum Wien vermittelt werden.
Was prähistorische Hölzer verraten#
Holz ist der wichtigste Roh- und Werkstoff, der die Menschheit schon immer begleitet hat. In trockener Umgebung, unter Wasser oder unter besonderen Umständen (z.B. bei Lagerung in Steinsalz) bleibt Holz sehr lange erhalten. Geplant sind:
Holzartenbestimmung:
An Hand kleiner Mikroschnitte kann die Holzart bestimmt werden
(auch an Holzkohlen).
Altersbestimmung:
Mit Hilfe von Jahrringbreitenmustern, die an Querschnitten gemessen
werden (an Bohrkernen oder geschliffenen Oberflächen), kann das Alter des zuletzt
zugewachsenen Jahrrings bestimmt werden – im Idealfall ist dies das Jahr der Fällung. Diese
dendrochronologischen Daten können auch Aussagen über das Klima oder die Herkunft des
Holzes liefern.
Holzbearbeitung:
In vielen Fällen sind noch die Bearbeitungsspuren am historischen Holz zu
erkennen. So kann überprüft werden, ob die Balken mit dem Breitbeil behauen wurden oder
gesägt.
Die beteiligten Wissenschafter#
Naturhistorisches Museum Wien, Prähistorische Abteilung
Hans Reschreiter, Archäologie, prähistorischer Salzbergbau, Ausgrabungsleitung Salzbergwerk
Hallstatt
Naturhistorisches Museum Wien, Prähistorische Abteilung
Kerstin Kowarik, Archäologie, Umweltarchäologie, Mensch-Umwelt, Projektleitung Hall-Impact
(ÖAW), prähistorischer Salzbergbau
Deutsches Geoforschungszentrum, Helmholtz-Zentrum Potsdam
Achim Brauer, Seekernbohrung, Klimadynamik und Landschaftsentwicklung
Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe
Dr. Michael Grabner - michael.grabner@boku.ac.at
www.holzverwendung.at, www.boku.ac.at/holzforschung
UWITEC, Bohrfirma
Richard Niederreite
Trägerschaft: Getragen wird das Projekt durch das Naturhistorische Museum Wien, das Deutsche Geoforschungszentrum Potsdam, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Universität für Bodenkultur Wien und die Freunde des Naturhistorischen Museums Wien.
Kontakt:
Mag. Irina Kubadinow
Naturhistorisches Museum Wien
Leitung Kommunikation & Medien
Tel.: ++ 43 (1) 521 77 DW 410
Mobil: 0664 / 415 28 55
irina.kubadinow@nhm-wien.ac.at
Helga Pucher
Salinen Tourismus GesmbH - Salzwelten
Presse, Marketing / Verkauf
Tel.: +43 6132 200 2492
Mobil: 0676 / 8781 2492
helga.pucher@salzwelten.at
Weiterführendes#
- Hallstatt (AEIOU)
- Seegrund Hallstatt (AEIOU)
- Salzbergbau Hallstatt (AEIOU)
- Salzwelten Hallstatt (AEIOU)
- Stiegenbau (Thema)