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vom 19.05.2022, aktuelle Version,

Straßenbahn St. Pölten

Straßenbahn St. Pölten
Streckenlänge: 9,42 km
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Stromsystem: 800 Volt =
Maximale Neigung: 25,61 
Minimaler Radius: 100 m
Höchstgeschwindigkeit: 35 km/h
0,492 Streckenende
0,456 Brunngasse (bis 1951)
Anschluss Postamt
0,292 Bahnhofplatz (bis 1951)
Westbahn
Streckenende
0,221 Goldegger Straße (ab 1951)
0,000
0,000 Übergabe ÖBB (bis 1945)
Frachtenbahnhof (bis 1945)
1,051
0,000
1,061 Kremser Landstraße
1,348 Mühlweg (bis 30. September 1917)
1,450 Schlachthof (bis 1. Jänner 1912)
1,463
0,000
Remise
0,459 Anschluss Schlachthof & Eisfabrik
0,497 Glanzstoff-Fabrik (Ausweiche)
0,660 Anschluss Glanzstoff-Fabrik
0,784 Anschluss Glanzstoff-Fabrik
0,805 Glanzstoff-Fabrik
0,883 Anschluss Whitehead (bis 1945)
Übergabe ÖBB (ab 1945)
1,585 Daniel-Gran-Straße
Westbahn
1,780 Eybnerstraße
1,843 Viehofner Straße (bis 1. Jänner 1912)
2,170 Neugebäudeplatz
Traisenbrücke Wienerstraße
2,572 Ober-Wagram (bis 1912)
2,745 Zwetzbacher Mühle (bis 7. Oktober 1953)
3,000 Ober-Wagram
3,057 Anschluss NEWAG
3,325 Salzerstraße
3,355 Arbeitergasse
3,995 Papierfabrik Salzer (bis 1929: Elbemühl)[1]
4,066 Anschluss Holzstoff-Fabrik Salzer
4,069 Anschluss Holzlagerplatz Salzer
4,295 Sillinghof (bis 30. September 1917)
4,950 Fialastraße
5,161 Anschluss Zwirnfabrik Salcher
5,205 Stattersdorf
6,075 Aufeld
6,317 Rollbahn West Autobahn (900 mm)
6,990 Spratzern
7,295 Brunn
7,556 Anschluss Harlander Zwirnfabrik
7,650 Salcherstraße Nr. 9
7,893 Harland
8,045 Streckenende
Die ehemalige Straßenbahntrasse am Ortseingang von. St. Pölten

Die Straßenbahn St. Pölten war das Straßenbahn-System der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten, sie war normalspurig und bestand von 1911 bis 1976. Die Betreibergesellschaft hieß St. Pöltner Straßenbahn Aktiengesellschaft (St.P.St.B.), die Planung der Bahn geht auf das Jahr 1905 zurück. Ursprünglich stand die Güterbeförderung im Vordergrund, jedoch entwickelte sich der Personenverkehr deutlich stärker. An der Gesellschaft waren vor allem die Fabrikbetriebe wie die Harlander Zwirnfabrik und die Glanzstoff Austria beteiligt, die über Gleisanschlüsse verfügten. Die Bahn hatte den Charakter einer Überlandstraßenbahn und verband St. Pölten mit den ursprünglich eigenständigen Orten Wagram, Stattersdorf, Aufeld, Spratzern und Harland.

Geschichte

1905 wurde die St.P.St.B. gegründet und eine Vorkonzession erteilt. Aktionäre waren neben der Stadt St. Pölten einige Industrielle der Stadt, gemeinsam wurde ein Kapital von 100.000 Kronen aufgebracht.[2] Nach der konstituierenden Sitzung am 2. April 1910 wurde die für Bau und Betrieb notwendige Konzession am 1. Mai erteilt.[3] Kurze Zeit später wurde mit dem Bau der Straßenbahn begonnen. Am 18. März 1911 wurde die Bahn feierlich eröffnet. Im Mai desselben Jahres wurde die Aktiengesellschaft, die nur zur Erbauung gedient hatte, aufgelöst und eine neue unter gleichem Namen gegründet, das Aktienkapital betrug 1.137.000 Kronen. Der Verwaltungsrat bestand aus Hermann Ofner (Stadtrat und Obmann der Bausektion der Stadt St. Pölten), Johann Urban (Direktor der Ersten österreichischen Glanzstoff-Fabrik), Josef Salcher junior (Direktor der Aktiengesellschaft der Harlander Baumwollspinnerei und Zwirnfabrik), Karl Salzer (Gesellschafter der Matthäus Salzers Söhne), Josef Benker (Seifensiederei Benker), dem Wiener Advokaten Wilhelm Graf und dem Bauamtsdirektor der Stadt St. Pölten, Josef Prokop.[4]

Neben der Stammstrecke wurden zahlreiche Industrieanschlüsse gebaut, die Straßenbahn erfüllte somit auch die Funktion einer Industrieanschlussbahn. Für ihren Betrieb wurden anfangs drei Triebwagen für den Personenverkehr und zwei Lokomotiven für die Güterbeförderung von der Grazer Waggonfabrik beschafft. Außerdem befanden sich die Güterwagen G1 (gedeckter Güterwagen) und JnG2 (Niederbordwagen) bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges im Besitz der St.P.St.B. Eine Verlängerung vom Bahnhofplatz zur Brunngasse, die nur dem Personenverkehr diente, wurde am 12. Dezember 1912 in Betrieb genommen. Die Straßenbahn war eingleisig ausgelegt. Ausweichen gab es an den Stationen Papierfabrik Salzer und Eybnerstraße, außerdem verfügten die Endstellen Brunngasse und Harland jeweils über ein Umsetzgleis. Während in der Brunngasse Rillenschienen der Form 160/120 verlegt wurden, gelangten im restlichen Stadtgebiet die Rillenschienen der Bauform 180/150a zum Einsatz. Zwischen den Stationen Ober-Wagram und Salzerstraße erfolgte der Wechsel zu Vignolschienen der Form XXIVa, ab dort verfügte die Bahn über eine eigene Trasse abseits der Straßen.

Die Haupteinnahmequelle der Straßenbahn St. Pölten stellte anfangs der Güterverkehr dar, der Personenverkehr spielte zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Durch die Anbindung des Stadtzentrums konnte eine Frequenzsteigerung im Personenverkehr erreicht werden, weshalb weitere Beiwagen angeschafft werden mussten.

1914 erwarb die Straßenbahn St. Pölten den einzigen in Österreich gebauten Posttriebwagen, der als Nummer 4 in den Bestand aufgenommen wurde. Bis zur Aufgabe der Post- und Paketbeförderung mit der Bahn im Jahre 1932 brachte dieses Fahrzeug regelmäßig Post und Pakete nach Harland.

Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs im Jahr 1938 wurde auch die St. Pöltener Straßenbahn nach der deutschen Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) betrieben. In diesem Zusammenhang erhielt sie die Linienbuchstaben H für Kurse Richtung Harland und P für Kurse Richtung (St.) Pölten zugewiesen, analog zu F für die Florianerbahn, G für Gmunden und Y für Ybbs. Diese waren an den Fahrzeugen in weißer Schrift auf schwarzem Grund angeschrieben, die Signale konnten bei Dunkelheit beleuchtet werden.

Am 1. April und 2. April 1945 wurde die fünfgleisige Übergabeanlage beim Frachtenbahnhof durch einen Fliegerangriff zerstört. Durch weitere Bombentreffer wurden am 12. April 1945 große Teile der Remise, Werkstätte, Fahrleitungsanlage, Gleichrichteranlage sowie die Fahrzeuge schwer beschädigt, sodass der Verkehr stillgelegt werden musste. Bereits am 2. Juli 1945 konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden.

Die Strecke führte bis 1951 von der Brunngasse nach Harland, danach wurde die Strecke verkürzt und endete fortan an der neuen Endstelle Goldegger Straße. Grund für die am 28. Mai 1951 erfolgte Verlegung war der zunehmende Individualverkehr. Die Straßenbahn war fortan nicht mehr mit dem Stadtzentrum verbunden, was einen starken Frequenzeinbruch zur Folge hatte. Der Zahl der transportierten Güter ging ebenfalls stark zurück.

Nach Auflassung des Beiwagenbetriebs mussten bei Ausfall des "großen" Triebwagens 5 in den Verkehrsspitzen meist zwei kleine Triebwagen mit Pendelschaffnern eingesetzt werden. Es wurde daher ein weiterer großer Triebwagen beschafft. Aus Geldmangel kam allerdings nur ein gebrauchtes Fahrzeug in Frage. Am 1. September 1963 wurde daher der Wiener Hilfstriebwagen NL 6212, ehemals ein Triebwagen der Type N des Baujahrs 1925, der ursprünglich unter der Nummer 2703 bei der Wiener Elektrischen Stadtbahn lief, beschafft und nach kleineren Adaptierungsarbeiten ab dem 30. Dezember 1963 mit der Nummer 006 im Personenbetrieb eingesetzt. Die Ausfälle des Triebwagens (insbesondere der in St. Pölten bis dahin nicht gebräuchlichen Druckluftbremse) häuften sich und so wurde der Triebwagen nach einem Kompressorschaden am 17. Jänner 1973 abgestellt und im November 1974 zur musealen Erhaltung nach Wien abgegeben.

1974 beschloss die Betriebsleitung den Kauf zweier gebrauchter T1-Triebwagen (Nr. 404 und 407) von der Straßenbahn Wien. Der T1 404 wurde nach kleineren Umbauten ab 1. September 1975 als Triebwagen 7 in St. Pölten eingesetzt und erfreute sich sowohl beim Personal als auch bei den Fahrgästen großer Beliebtheit. Im Sommer 1975 wurde der kleine Triebwagen 2 wegen seines schlechten Erhaltungszustandes abgestellt und verkauft. Im Oktober 1975 musste auch der Triebwagen 5 abgestellt werden.

Am 10. Februar 1976 wurde die Straßenbahn aufgrund einer unbeglichenen Stromrechnung stillgelegt. Verhandlungen über eine Übernahme durch die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) oder das Land Niederösterreich scheiterten, sodass die Gesellschaft Konkurs anmelden musste.[5]

Jedoch wurde der Anschluss der Glanzstoff-Fabrik noch bis zu deren Schließung 2008 mit einer ÖBB-Diesellokomotive beziehungsweise einem Unimog bedient.[6] Ferner erhielt die Papierfabrik Salzer ihre Güterwagen noch einige Jahre nach der Stilllegung per Straßenroller zugestellt.[7]

Nachnutzung

Heute sind Teile der ehemaligen Trasse zum Radweg „Tramway Trasse“ umfunktioniert, die denkmalgeschützte Remise steht an der Einmündung der Daniel-Gran-Straße in die Herzogenburger Straße und ist heute ungenutzt.[2] Seit 2004 wird über eine Wiedereinführung der Straßenbahn in St. Pölten nachgedacht; eine kurzfristige Realisierung scheint aber unwahrscheinlich.

Fahrzeuge

Nummer Baujahr Hersteller Länge Achsstand Bemerkungen
Lokomotiven
Lokomotive 1 1911 Grazer Waggonfabrik 8500 mm 3200 mm Güterzuglokomotive, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee desolat
Lokomotive 2 1911 Grazer Waggonfabrik 8500 mm 3200 mm Güterzuglokomotive, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee desolat
Lokomotive 3 1930 Grazer Waggonfabrik 8500 mm 3200 mm Güterzuglokomotive, am 25. September 1976 verschrottet
Lokomotive 4 1953 Goldeband 7640 mm 2800 mm Güterzuglokomotive
Triebwagen
1 1911 Grazer Waggonfabrik 7900 mm 2700 mm Plattformverglasung, Einsatz am letzten Betriebstag 1976, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee, desolat
2 1911 Grazer Waggonfabrik 7900 mm 2700 mm Plattformverglasung, 29. Juli 1975 Verkauf an privat, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee, Ersatzteilspender
3 1911 Grazer Waggonfabrik 7900 mm 2700 mm Plattformverglasung, Einsatz am letzten Betriebstag 1976, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee, betriebsfähig rekonstruiert
4 1914 Grazer Waggonfabrik 7700 mm 2700 mm Posttriebwagen, 1938 in Beiwagen umgebaut, 2004 betriebsfähig als Tw 4 rekonstruiert, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee
5 1929 Grazer Waggonfabrik 10700 mm 3200 mm Plattformverglasung, Tonnendach, seit Oktober 1975 abgestellt, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee, nicht betriebsfähig
006 1925 Simmering 11600 mm 3600 mm 1963 von der Wiener Elektrischen Stadtbahn (ehemals NL 6212, ehemals N 2703) übernommen, Jänner 1973 abgestellt, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee, in Aufarbeitung
7 1954 Lohner 11600 mm 3300 mm 1974 von der Straßenbahn Wien ehemals T1 404 übernommen, Einsatz am letzten Betriebstag 1976, ab 1977 als Zweikrafttriebwagen 07 bei den WLB, derzeit Museumstramway Mariazell–Erlaufsee, Wagenkasten 2010 verschrottet
Beiwagen
11 1901 Grazer Waggonfabrik 8700 mm 3000 mm Plattformverglasung, 1920 umgebaut
12 1891 Simmering 6080 mm 1600 mm 1918 von der Straßenbahn Wien übernommen, 1941 umgebaut
13 1905 Bremer Straßenbahn 7800 mm 2200 mm 1927 von der Straßenbahn Bremen gekauft, 1965 ausgemustert
4 1914 Eigenbau 7700 2700 mm umgebaut aus Triebwagen 4, 1975 ausgemustert
Güterwagen
G1 1911 Ringhoffer 8540 mm 4000 mm
Jng2 1911 Ringhoffer 9020 mm 4000 mm
Bahndienstfahrzeuge
Draisine 1943 Werke Wörth 4960 mm 2200 mm ehemals ÖBB X613.005, an Draisinenmuseum Traismauer abgegeben
Turmbeiwagen  ? Eigenbau  ?  ? heute Museumstramway Mariazell–Erlaufsee

Alle erhaltenen Fahrzeuge befinden sich heute im Besitz der Museumstramway Mariazell-Erlaufsee. Nummer 4 wurde weitgehend in den Originalzustand zurückversetzt.

Literatur

  • Die elektrische Straßenbahn St. Pölten–Harland. (Mitteilungen der Österreichischen Siemens-Schuckert-Werke). In: Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien. Organ der Vereinigung Österreichischer und Ungarischer Elektrizitätswerke / Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien( und Organ des Zweigvereines Brünn) / E. u. M. (E und M) Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien / E und M Elektrotechnik und Maschinenbau. Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines in Wien von 1883 bis 1938 / E und M Elektrotechnik und Maschinenbau. Organ/Zeitschrift des Elektrotechnischen Vereines Österreichs, Jahrgang 1921, Heft 22/1921, 29. Mai 1921, S. 89 f. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/emb.
  • Wolfgang Kaiser: Straßenbahnen in Österreich. GeraMond, München 2004, ISBN 3-7654-7198-4.
  • Harald Marincig: Die St. Pöltner Straßenbahn. Zweite, stark erweiterte Auflage. Verlag Bahn im Film, Achau 2011, ISBN 978-3-9503096-0-7.
  • Harald Marincig: Die St. Pöltner Straßenbahn. Elektronische Ressource: 1 DVD-R (55 Min.), 12 cm. Bahn im Film, Wien 2011.
  • Karl Zwirchmayer: 50 Jahre St. Pöltner Straßenbahn – 1911–1961. In: Eisenbahn 4/1961, S. 61 f.
Commons: Straßenbahn St. Pölten  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gerhard A. Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs: Geschichte, Technik, Architektur. Böhlau, Wien (u. a.) 2006, ISBN 3-205-77460-4, S. 639, online.
  2. 1 2 Gerhard A. Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs, Kapitel Gemeinde St. Pölten – Straßenbahnremise. Böhlau, Wien (u. a.) 2006, ISBN 3-205-77460-4.
  3. RGBl. 1910/96. Kundmachung des Eisenbahnministeriums betreffend die Konzessionierung einer mit elektrischer Kraft zu betreibenden normalspurigen Kleinbahn von St. Pölten nach Harland. In: Reichsgesetzblatt für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, Jahrgang 1910, S. 167. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/rgb.
  4. Firmaprotokollierungen. (…) St. Pölten, St. Pöltner Straßenbahn-Aktiengesellschaft. In: Wiener Zeitung, Amtsblatt, Nr. 144/1911, 25. Juni 1911, S. 749. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz.
  5. Strom aus für St. Pöltens Straßenbahn. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 11. Februar 1976, S. 6 ( Digitalisat).
  6. Die Straßenbahn St. Pölten auf Tramtrack Austria.
  7. Einst und jetzt: Straßenbahnen in St. Pölten und anderswo auf oekonews.ch.

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