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9. Dezember - Apfel, Nuss und Mandelkern#

© Dr. Helga Maria Wolf


Der verhängnisvolle Apfel
Der verhängnisvolle Apfel, Holzschnitt aus der Bibel von J. Dietenberg, 1534
Am Anfang war der Apfel. Die älteste kultivierte Frucht findet sich vielfach in der Mythologie und Kunst. In der Antike war der Apfel (Pirus malus) wegen seiner Schönheit und Süße ein Symbol für Liebe, Fruchtbarkeit und Jugend. Die griechischen Götter hüteten in ihrem Garten die goldenen Äpfel der Unsterblichkeit. Es bedurfte einer Heldentat des Herakles, die wertvollen Früchte ihren Wächterinnen, den Hesperiden, zu entwenden. Auch die nordischen Asen verspeisten goldene Äpfel, die ihnen die ewige Jugend bewahrten. Die Göttin Iduna kredenzte sie ihnen zum Klang der Gesänge ihres Götter-Gatten Bragi. Mit dem Raub der Äpfel der Iduna nahte das Ende der Welt. Ebenso preist das Hohelied im Alten Testament, das im 4. oder 5. vorchristlichen Jahrhundert in Palästina entstand, Frucht und Baum: "Ein Apfelbaum unter Waldbäumen ist mein Geliebter unter den Burschen. In seinem Schatten begehre ich zu sitzen. Wie süß schmeckt seine Frucht meinem Gaumen" (Hld 2, 3). Hingegen spielt der Apfel am Anfang der Bibel eine verhängnisvolle Rolle. Künstler sahen ihn als Frucht des Paradiesbaumes, der aber genauso gut ein Feigen- oder Kirschbaum, ein Weinstock oder ein anderer Baum sein kann. Das Christentum deutete ihn als Unheil bringende Frucht (lat. malum - Übeltat) und Symbol der Stammmutter Eva. In der Hand Marias, der "neuen Eva" oder des Jesuskindes wandelt er sich zum Zeichen der Erlösung. Im Mittelalter war der "Reichsapfel" das Sinnbild der christlichen Weltherrschaft.


Apfelhäuschen
Ein Apfelhäuschen für den Nikolo ist schnell aufgestellt.
Aus Mitteleuropa stammen die ältesten Überreste von Wildäpfeln aus der Jungsteinzeit. Um Christi Geburt kannten die Römer bereits 25 veredelte Sorten. Ein Obstbaumverzeichnis aus dem Jahre 813 zeigt, dass Karl der Große auf seinen Gütern mit Vorliebe Apfelbäume - und Nussbäume anpflanzen ließ. Im Mittelalter haben vor allem die Klöster den Apfel verbreitet und veredelt. Äpfel waren eine der wenigen frischen Obstsorten, über die man im Winter verfügen konnte. Zu Recht versprach man sich vom Genuss Gesundheit.


Zwetschgenkrampus
Vor dem "Zwetschkenkrampus" braucht sich niemand zu fürchten
Am Heiligen Abend kam noch die Hoffnung auf Fruchtbarkeit und Wohlstand hinzu. Das Kerngehäuse diente als Orakel, die Kerne wurden aufbewahrt und eingepflanzt. Wer einen Apfel so schälte, dass die Schale nicht abriss, konnte diese ebenfalls als Los gebrauchen: Über die Schulter geworfen, ließ sich daraus einiges über bevorstehende Hochzeiten ablesen.


"Apfel, Nuss und Mandelkern essen fromme Kinder gern", lässt Theodor Storm seinen Knecht Ruprecht dem Christkind antworten. Äpfel waren das klassische Geschenk des Nikolaus. Für ein Nikolaushäuschen steckt man zwölf Stäbe so in acht Äpfel, dass die Stäbe den Kanten und die Äpfel den Ecken eines Würfels entsprechen. In die oberen Kanten steckt man nun vier weitere Stäbe als Sparren, die mit einem weiteren Apfel zeltdachförmig die Spitze bilden, an der eine Kerze in die Höhe ragt. Die oberen vier Senkrechten münden in einem Apfel, der eine Kerze trägt. Alle Einstichstellen verziert man mit Tannenzweigen. In dem Gerüst steht ein Lebkuchennikolaus oder "Zwetschkenkrampus". Der Zwetschkenkrampus ist die österreichische Variante des deutschen Pflaumentoffel, der eigentlich ein "Feuerrüpel" (Rauchfangkehrer) ist. Bei beiden spießt man Dörrpflaumen auf Stäbchen, um Beine und Leib zu bilden. Dazu kommen Arme aus Draht, ebenfalls durch Dörrobst verkleidet, die eine Rute tragen. Eine Nuss mit aufgemaltem Gesicht ist der Kopf, den Hörner (oder der Zylinder des Schornsteinfegers) zieren. So wird die Drohfigur des "Schwarzen Mannes" zu einer schmackhaften Gabe. Im Winter stand hauptsächlich Dörrobst zur Verfügung. Gedörrte Birnen ("Kletzen") brauchte man zum "Kletzenbrot". Sie wurden mit Honig und Nüssen in den Brotteig eingearbeitet.


Die Steinfrucht des echten Walnussbaumes (Juglans regia), war bereits den alten Griechen und Römern bekannt. Zur Zeit der Kirchenväter fehlte es nicht an christlichen Deutungen der herben, grünen Haut, der holzigen Nussschale und des köstlichen Kernes. Vom Fleisch Jesu, das die Bitterkeit der Passion erleiden musste, vom Holz des Kreuzes und der Gottheit war die Rede, oder von Fleisch, Knochen und Seele der Menschen.


Zu Weihnachten sind Nüsse auf vielerlei Art brauchbar. Wohlschmeckend, haltbar und nahrhaft, werden sie roh genossen, in Backwaren oder zu Basteleien verwendet. Winzige Wachs-Jesulein fanden in der Nussschale ihre Liegestatt. Vergoldete Nüsse, einzeln oder zu Ketten und kleinen Vögeln verarbeitet, zierten den Christbaum. Die Verwendung von Blattgold erforderte Geschicklichkeit: ein Streichholz wurde in die Schale gesteckt, um die Nuss halten zu können. Zuckerwasser bildete den Klebstoff für die hauchdünnen Goldblättchen, die man mit Watte an die Nuss drückte. Als Ende des 19. Jahrhunderts Glasschmuck in Mode kam, waren, teilweise echt versilberte, Nüsse unter den ersten Formen.


Auch Beeren aus feinstem Formglas mit Samtblättern, beide in Blau- und Grüntönen, waren als Christbaumschmuck beliebt. Der "Nussknacker" kam aus dem sächsisch-thüringischen Weihnachtswunderland. War Lauscha das Zentrum der Glasindustrie, so erzeugte man im Erzgebirge Holzfiguren. Hier ist die Heimat der Nussknacker. Nachdem der ehemals blühende Zinn- und Silberbergbau seit dem 17. Jahrhundert zurückging, benützten die Bergleute einen anderen Rohstoff dieser waldreichen Gegend. Den Umgang mit Holz gewohnt, begannen sie zu schnitzen und beschickten schon 1613 die Leipziger Messe. Der Nussknacker trägt die Uniform eines Soldaten oder Polizisten. Wenn man eine Nuss in den Mund mit den großen Zähnen steckt, knackt er sie durch Hebelwirkung auf.


Mandorla
Mandorla - Interpretation des 19. Jahrhunderts.
Wie mit Nüssen verziert man Lebkuchen auch mit Mandeln. Sie sind die Samen der bis zu sechs Meter hohen Mandelbäume. Die Bäume tragen rosa oder weiße Blüten, aus denen sich pfirsichähnliche graue Früchte entwickeln. Im Steinkern befindet sich, in einer harten Schale, umhüllt von der braunen Samenhaut, der weiße Keimling. Für die Israeliten war der Mandelbaum das Symbol neuen Lebens. In seiner ersten Vision sieht der Prophet Jeremia einen Mandelzweig (Jer 1, 11 f). In der christlichen Symbolsprache steht der weiße Mandelkern in der dunklen Schale für das Mysterium des Lichts oder die reine Magd Maria. Er kann auch Christus bedeuten, dessen göttliche Natur in der menschlichen verborgen war. Der Weltenherrscher wird in der Mandorla, dem mandelförmigen Lichtschein, dargestellt.


In der feinen Küche und Zuckerbäckerei sind Mandeln als Zutat z. B. für Mandelbögen beliebt. Mit Rosenwasser und Zucker bilden sie das Ausgangsprodukt für Marzipan. Das Rezept dafür stammt aus dem vorderen Orient und soll über Venedig, die Republik des hl. Markus, als "marci panis" in den Westen gelangt sein. Eine andere Geschichte sagt, dass sich die Bezeichnung vom arabischen "mauthaban" herleite, wie man um die erste Jahrtausendwende in Byzanz eine Münze nannte. Die Venezianer bezeichneten um 1200 ihre erste Groschenmünze "grosso matapane". "Martzapane" hießen verzierte, kleine Spanschachteln, in denen man Geld, Schmuck oder Süßigkeiten aufbewahrte wodurch der Name auf die mit Modeln verzierten Köstlichkeiten übergegangen sei. Seit 1407 stellt man in Lübeck Marzipan her. Eine weitere klassische Nikolausfrucht sind Orangen. Sie wurden schon vor 4.000 Jahren' in China kultiviert, kamen mit Alexander dem Großen in den Mittelmeerraum und waren auch den Römern bekannt. Danach gerieten sie hier in Vergessenheit, im Mittelalter brachten spanische Schiffe bittere Früchte mit dem arabischen Namen "narandsch" ("Orangen") mit. Die ersten süßen Orangen kamen im 15. Jahrhundert durch portugiesische Seefahrer als "Äpfel aus China" ("Apfelsinen") nach Europa. In der Barockzeit wurde es in den Schlössern Mode, Orangenbäumchen zu züchten, um sich am Anblick ihrer Blüten zu erfreuen. Zum Überwintern der frostempfindlichen Pflanzen baute man eigene Orangerien. Erst im 19. Jahrhundert erkannte man den hohen Vitamin-C-Gehalt der Früchte. Daraufhin entstanden in Mallorca und Spanien die ersten Plantagen. Mandarinen, ebenfalls aus China, wurden um 1850 in größerem Stil in Italien kultiviert. Sie dürften die weltweit ältesten bekannten Zitrusfrüchte sein. Mandarinen wachsen auf strauchartigen Bäumen und müssen nach Eintritt der Reife schnell geerntet werden. Aus dem Mittelmeerraum kommen sie bei uns zwischen Ende November und Anfang Januar auf den Markt. Schon einige der stark zuckerhaltigen Früchte decken den Tagesbedarf eines Erwachsenen an Vitamin C. Weiters fanden sich im Krampussackerl "Aschanti" Die alte österreichische Bezeichnung für Erdnüsse leitet sich von dem vom 17. bis ins 19. Jahrhundert bestehenden Aschanti-Reich an der westafrikanischen Guineaküste ab. Aus diesen Gebieten kamen die Hülsenfrüchte, die in Frankreich als Öllieferanten dienten. Die Heimat der Erdnuss liegt wahrscheinlich im heutigen Brasilien, wo sie die Indianer seit über 3.000 Jahren kultivierten. Nach der Entdeckung Amerikas brachten spanische und portugiesischen Seefahrer Erdnüsse nach Afrika, Indien und den Philippinen, von wo sie sich in im Lauf der nächsten 200 Jahre bis nach China ausbreiteten. In Europa erfolgten Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Anbauversuche in Spanien und Frankreich.


Die Früchte der Dattelpalme waren am persischen Golf schon vor fünf Jahrtausenden bekannt. Bei uns werden sie besonders im Herbst und Winter angeboten. Im Bereich der Blattkrone entstehen die Blütenstände, aus denen sich bis zu 500 Einzelfrüchte entwickeln. Drei bis sieben Zentimeter lang, und bis zu zehn Gramm schwer, sind sie von einer hellen bis fast schwarz gefärbten Haut umgeben. In ihrer Heimat sind Datteln für Mensch und Tier wegen ihres hohen Nährwertes von großer Bedeutung. Sie werden als Brot der Wüste bezeichnet und verschiedentlich weiter verarbeitet. Palmen liefern nicht nur Früchte, sondern fast alles, was man dort zum Überleben braucht, Holz, Fasern, Wedel z. B. zum Dachdecken. Sie sind das Attribut der Märtyrer und zieren als typische Bäume die "orientalischen Krippen". Der vermutlich aus Kleinasien stammende Feigenbaum ist seit mindestens 7.000 Jahren im Mittelmeerraum verbreitet. In der Antike waren frische oder getrocknete Feigen mit Nüssen ein Grundnahrungsmittel und wahrscheinlich eine der ersten kommerziell bedeutenden Fruchtarten. Der Feigenbaum ist - wie Ölbaum oder Weinstock - in der Bibel ein Bild für das freudige Leben im messianischen Reich. Manche Gemälde zeigen ihn als Paradiesbaum. Nach dem Sündenfall verhüllen sich Adam und Eva mit Feigenblättern - vermutlich weil man das hebräische "pag" (Feige) mit "peccatum" (Sünde) in Zusammenhang brachte, so wie beim Apfel (Pirus malus) der Name der Frucht an "malum" (Übeltat) erinnerte.


Durchweg positiv besetzt ist jedoch der Granatapfel (Punica granata). Die immergrünen Bäume, die aus dem Iran stammen und seit langem kultiviert werden, erreichen ein Alter von 200 Jahren. Das Innere der Frucht ist durch Membranen unterteilt. Es enthält transparente Säckchen mit saftigem Fruchtfleisch und Samenkernen, die 52 Prozent des Gewichtes ausmachen. Der Granatapfel, hierzulande von Oktober bis Dezember erhältlich, ist reich an Gerbstoffen, Zucker und Vitamin C. Wie der Apfel galt er in der Antike als Symbol der Liebe, Fruchtbarkeit und Unsterblichkeit. Die Juden sahen im Granatapfel ein Sinnbild der Eintracht, weil die ledrige Schale viele Kerne umschließt. Der Hohepriester trug am Saum seines Gewandes Granatapfel-Muster aus violettem und rotem Purpur und Karmesin, zusammen mit Glöckchen (Ex 28,33). Das Kranzgesims des Salomonischen Tempels war mit Granatäpfeln geschmückt. In der mittelalterlichen Mystik und Malerei ging die Dekoration auf die Darstellung der Madonnen und die Muster der Messgewänder über.