20. Dezember - Verwandte Feste #
© Dr. Helga Maria Wolf
Die Götter der antiken Welt hatten sehr menschliche Eigenschaften.
Öffentliche Feste ihnen zu Ehren waren zugleich weltlich und religiös.
Im Mittelpunkt der den römischen Gottheiten geweihten Tage standen
Rituale wie Opfer oder Tänze, um den Götterfrieden zu erhalten.
Gestörter Götterfriede bedrohte die Lebensgrundlage, die Landwirtschaft.
Regelmäßig stattfindende Feste im Rhythmus des bäuerlichen Arbeitsjahres
sollten die überirdischen Mächte gütig stimmen.
Ab 17. Dezember begingen die Römer einige Tage lang die Saturnalien,
Festtage, während derer die übliche Spaltung der Gesellschaft in Freie
und Sklaven nicht bestand. Ursprünglich feierte man um diese Zeit den
Abschluss der Winteraussaat. Die Römer übernahmen den etruskischen
Saturnus als Bauerngott. Darstellungen zeigen ihn mit Flügeln, einer
Kugel in Händen und einem Lorbeerkranz, den ein Stern ziert, auf dem Haupt. Man
sah das Fest als Erinnerung an das Goldene Zeitalter, als unter der
Herrschaft des Saturnus Milch und Honig flossen und soziale
Gerechtigkeit herrschte.
Der ihm geweihte Tempel am Fuß des Kapitols war der Aufbewahrungsort des
Staatsschatzes. Die Saturnalien sollten zum Gedenken an seine Einweihung
mit Opfern und einem
öffentlichen Festbankett
begangen werden. Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts waren sie
Anlass für fünftägige Gerichtsferien. Einmal im Jahr herrschte die
"verkehrte Welt", wie im Fasching war alles erlaubt, was sonst verboten
war. Gesetze und Ämter wurden verspottet. Die Herren mussten die Sklaven
bedienen und diese
durften mit ihnen, sonst streng untersagt, Würfelspiele machen. Wen der
Würfel zum Saturnalienkönig bestimmte, der hatte das Recht,
lächerliche Befehle zu geben. Alle mussten sich seinem Regiment fügen. Weitere
Elemente bestanden im Kerzenanzünden und Beschenken, vor allem
derjenigen, denen man aufgrund geleisteter Dienste etwas schuldig war.
Der Dichter Catull rühmte die Saturnalien als "die besten der Tage".
Das Christentum hatte es nicht leicht, sich gegen dieses unglaublich
populäre Fest durchzusetzen. Im Jahr 336, während in Rom der Geburtstag
Christi erstmals bezeugt
ist, zeigt ein Kalender das Bild des mit seinem Herrn würfelnden
Unfreien. Noch im 5. Jahrhundert, als das Christentum schon längst
Staatsreligion war, bestand das "Fest der Sklaven" weiter. Aber es gab
noch andere "Konkurrenten" für Weihnachten.
Die Bedeutung des Sonnengottes Sol, der dem griechischen Helios
entsprach, steigerte sich im 2. und 3. Jahrhundert. Die römischen Kaiser
übernahmen orientalische Sonnengötter und gaben ihnen Beinamen wie "invictus",
"aeternus" oder "divinus". Sie bauten riesige Tempel und identifizierten
sich mit ihnen. Im Jahr 274 ordnete Kaiser Aurelian, der sich selbst
"Sol invictus" nennen und im Strahlenkranz abbilden ließ, das Fest
"Natalis soli invicti" zur Sonnenwende am 25. Dezember an. Zu Ehren der
neu aufsteigenden Sonne entzündeten die Römer große Feuer und
veranstalteten prächtige Spiele.
Am Ende des 2. Jahrhunderts gewann der Mysterienkult des Mithras an
Bedeutung, ein "persischer Gott in römischem Gewand", Herr des Lichts,
der Verträge und der Vermittlung. Erste Zeugnisse der Mithrasreligion
finden sich im letzten Viertel des 1. Jahrhunderts in Rom ebenso wie in
den Grenzgebieten an Rhein und Donau. Funde belegen, dass ihr Soldaten
in Carnuntum (Petronell, Niederösterreich), Lauriacum (Lorch/Enns,
Oberösterreich) und Virunum (Maria Saal, Kärnten) huldigten. Zur
Verehrung des Lichtes kam der altpersische Mythos von der Erschaffung
der Welt durch das Stieropfer. Das dritte Element stammte aus der
Seelenwanderungslehre Platons. Ihr zufolge steigt die Seele durch die
sieben Sphären der Planeten zur Erde hinab, wo sie in einem Körper
Eingang findet. Der Weg der Seele von den Sternen auf die Erde und
zurück wurde von den Anhängern des Mithraskultes in ihrem Heiligtum
symbolisch durchlaufen. Die Einweihungsgrade entsprachen den
Planetengöttern, dargestellt durch eine siebensprossige Leiter oder
sieben Tore. Das Heiligtum war zumeist ein rechteckiger, in drei Schiffe
geteilter Saal, dessen mittleres tiefer lag. An der Frontseite befand
sich das Kultbild mit der Stiertötung. Weitere Altäre und Bilder zeigten u. a. die Geburt des Mithras
aus einem Felsen, seine Himmelfahrt auf dem Sonnenwagen und die Krönung
des Sonnenläufers (Heliodromos), wie man Angehörige eines bestimmten
Weihegrades nannte. Anhänger der Religion waren nur Männer, in erster
Linie Offiziere und Beamte. Diese Schicht fiel nach der Erklärung des
Christentums zur Staatsreligion weg, doch belegen Münzfunde, dass der
Mithraskult noch länger bestand.
Konstantin, der erste christliche Kaiser, brachte alte und neue
Religionen auf den gemeinsamen Nenner "Geburt des Kindes". Damit sollte
seit Vergil das Goldene Zeitalter anbrechen und laut Jesaja das
messianische Friedensreich als Neuschöpfung der Welt beginnen. Im 4.
Jahrhundert wurde die Feier der Geburt Jesu, die Inkarnation, mit dem
Fest der unbesiegten Sonne verschmolzen. Statt einem Sonnengott sollte
der "Sonne der Gerechtigkeit" gehuldigt werden. Konstantin, der die
Christen förderte, blieb doch den alten Vorstellungen verbunden. Statuen
zeigen ihn im Strahlenkranz und die Inschrift kündet: "Dem Constantin,
dem gleich Helios Leuchtenden".
In der von ihm angebahnten Entwicklung des Christentums zur
Staatsreligion liegt der Ursprung des Gottesgnadentums der römischen
Kaiser des Abendlandes: Der Kaiser auf Erden repräsentierte Gott im
Himmel. Die Verbindung
von Thron und Altar zeigte sich auch im mittelalterlichen
Weihnachtsbrauch: Der Kaiser sang in seiner Funktion als Diakon bei der
Christmette im Krönungsornat und mit gezogenem Schwert das
Weihnachtsevangelium: "In jenen
Tagen erging ein Erlass des Kaisers Augustus ..." Die Erzählung vom
Besuch der Magier wurde im Sinn einer solchen Einheit interpretiert.
Sobald der Kronprinz im christlichen Byzanz acht Tage alt war, fand vor
dem Kind und der Kaiserin eine Huldigungszeremonie statt, bei der die
Höflinge Geschenke in die Wiege legten. Beim Festzug anlässlich der
Überführung der Reliquien der Heiligen Drei Könige (1164) spielten drei
Männer in königlicher Kleidung die Magier, denen ein Sternträger
voranschritt.
Im 4. Jahrhundert bestanden in der christlichen Kirche zwei Geburtsfeste
Jesu. In der westlichen (lateinischen) Kirche war Weihnachten am 25.
Dezember, in der östlichen (griechischen) Epiphanie am 6. Januar. Ein
Papyrus aus dem 4. Jahrhundert aus Anlass des Epiphaniefestes
überliefert eine Weihnachtsliturgie mit Bibelstellen und Hymnen. In
Ägypten gründete Alexander der Große im 4. vorchristlichen Jahrhundert
an der Mündung des Nils, der Lebensader des Landes, die nach ihm
benannte Stadt. Alexandria entwickelte sich zum bedeutendsten Hafen des
östlichen Mittelmeers, hatte hunderttausend Einwohner und war ein
Zentrum der Kultur und Wissenschaft. Hier feierte man am 6. Januar die
Geburt Aions, des Herrschers über Zeit und
Ewigkeit, der auch als Sonnengott Horus verehrt wurde. Im Lobpreis zu
seinem Geburtstag hieß es: "Erschienen ist das Licht, heute hat die
Jungfrau den Aion geboren." Die Jungfrauengeburt war ein weit
verbreiteter Mythos in vorderasiatischen Religionen, die Pharaonen
leiteten ihre Legitimation daraus ab. Statuen zeigen die Mutter Isis mit dem
Horusknaben. Wie aus den Bildern der thronenden Madonna vertraut, sitzt
sie, oft umgeben von engelartigen Gestalten, mit dem Kind auf dem Schoß,
dem sie die Hand reicht. Die Ägypter sprachen dem Nilwasser in jener
Nacht besondere Wirkung zu. Die nächtlichen Kulthandlungen am Nil wurden
auch mit dem griechischen Gott Dionysos
in Zusammenhang gebracht. Dieser soll in der Nacht auf den 6. Januar auf
der Erde erschienen sein, wobei aus den Quellen Wein statt Wasser floss.
Im 2. nachchristlichen Jahrhundert feierten die Anhänger des Gnostikers
Basilides am 6. (oder 10.) Januar in Alexandria die Taufe als Epiphanie
Christi. Basilides lehrte, dass Christus bei seiner Taufe plötzlich in
die Erdenwelt eingetreten sei, als die Stimme ertönte: "Du bist mein
geliebter Sohn." Die Christen erinnerten sich am 6. Januar an die Taufe
Jesu (Joh 1, 29-34) und die Hochzeit in Kanaa (Joh 2, 1-12). Die biblische
Wundererzählung war um 500 die zentrale Lesung des Gottesdienstes dieses
Tages.
Als Lichterfest hat Weihnachten Ähnlichkeit mit dem
achttägigen jüdischen "Halbfest" Chanukka (hebräisch: Einweihung).
Das Fest, das nach der Abfassung der Alten Testaments
entstand, erinnert an die Neuweihe des Tempels in Jerusalem im Jahre 165
v. Chr. Jüdische Kämpfer unter Führung der Makkabäer-Familie hatten sich
erfolgreich gegen die syrisch-griechische Fremdherrschaft aufgelehnt.
Nachdem Alexander der Große im Jahre 332 v. Chr. auch Palästina in
griechische Hand gebracht hatte, durfte der Gott der Juden nicht mehr
verehrt werden. Nach dem Ende
der hellenistischen Zeit wollten die Gläubigen in ihrem Tempel den alten
Leuchter neu weihen, der nach den Vorschriften nie ausgehen darf. Der
Legende nach fanden sie ein kleines Kännchen geweihten Öls, mit dem
durch ein Wunder der Leuchter so lang brannte, bis neues gewonnen wurde.
Daran knüpft sich der Brauch, acht Tage hindurch bis zum Channuka-Fest
täglich ein Licht mehr an einem achtarmigen Leuchter anzuzünden. Wegen
der unterschiedlichen Kalender fallen das jüdische Lichterfest, am 25.
des
Monats Kislew und das christliche Weihnachtsfest nur fünf Mal in jedem
Jahrhundert zusammen. Chanukka wurde eher bescheiden gefeiert, in
jüngster Zeit zeigt es Züge eines Kinderfestes mit großer Bescherung.