© Dr. Helga Maria Wolf
Der Jesusknabe galt seit dem 16. Jahrhundert als "Neujahrsbringer"
Das Christkind ist der älteste "Neujahrsbringer". Als "gnadenreiches
Jesulein" spielte es in der Andachtsgrafik Jahrhunderte hindurch eine
Rolle. Bei den Neujahrsbriefen, die in adeligen und geistlichen Kreisen
seit dem ausgehenden Mittelalter Verbreitung fanden, verband man
persönliche Wünsche mit dem Jesuskind als Boten für ein gutes Jahr.
Holzschnitte und Kupferstiche zeigen ein Spruchband und das Jesulein,
das einer Blume entsteigt, auf einem Polster, in der Krippe oder in
einem Korb liegt. Die Schöpfer von "Neujahrszetteln" des 18.
Jahrhunderts umgaben das Kind mit einer Fülle allegorischer Zeichen oder
biblischer Szenen. Passionswerkzeuge verweisen auf den Zusammenhang
Krippe - Kreuz. Vom Welterlöser erhoffte man sich Segen: "Behütt uns
dieses Jahr, Vor best, Krieg, hungersgfar. Und gieb den Seegen dein O!
gittigs Jesulein." Auf anderen Bildern wurde der Empfänger angesprochen:
"Ich will mit diser gab, mein Freind an dich getencken, und zu ein Neuen
Jahr, Das Jesukindlein schencken."
Auch die Heiligen Drei Könige erschienen auf Glückwunschkarten. Der 6.
Januar wurde als "Großneujahr" oder "Hochneujahr" mit verschiedenen
Bräuchen begangen, und so genannte Dreikönigszettel mit den
glückbringenden Initialen C+M+B trug man gern als Amulette. Die Magier,
die sich auf die weite Reise zum neugeborenen König begeben hatten,
galten auch als Patrone für die letzte Reise, einen guten Tod. Auf einer
kombinierten Darstellung von Christkind und drei Königen findet man den Vers: "Ich wünsch dir an mein
lieber Christ, Weß würd und Stand du immer bist. Ein neues Jahr voll
fried und freud, und nach dem todt die seeligkeit." In der Barockzeit
überbrachten Vertreter der Bruderschaften den Mitgliedern gedruckte
Neujahrswünsche. Im Mittelpunkt dieser Bilder standen die Zunftpatrone
mit ihren Attributen. Neben
religiösen Motiven, die an Andachtsbilder erinnern, gab es schon im 16.
Jahrhundert geschriebene Glückwunschkarten von Geschäftsleuten. Seit der
Mitte des 18. Jahrhunderts verwendeten bestimmte Berufsgruppen gedruckte
Neujahrskarten, mit denen sie gratulieren (heischen) gingen. Die
Dienerschaft eines Wiener Kaffeehauses verteilte an die
"Hochzuverehrenden Herrn Gäste" kolorierte Lithografien. Die Karte zeigt
einen Kellner, der dem im Billardsalon sitzenden Gast ein Kännchen
Kaffee serviert. Der Herr mit Zylinder hält in der Linken eine lange
Pfeife, während er mit der Rechten nach dem Geldbeutel greift. Darunter
steht der vielsagende Vers: "Nur Ihre Huld und Ihr gnädiger Blick,
Begründen unser größtes Glück!"
Neujahrskarte für die "hochgeehrten Gönner" eines Wachsmanns, 1910 (Niederösterreich).
Um 1797 erfand Aloys Senefelder die Lithografie, ein
Flachdruckverfahren. Bilder und Texte werden mit Kreide oder Feder,
Pinsel und Fettfarbe auf einen kohlensauren Kalkschiefer aufgebracht. An
den behandelten Stellen entsteht durch die chemische Reaktion fettsaurer
Kalk, der Fett anzieht und Wasser abstößt. Umgekehrt werden die freien
Stellen mit verdünnter
Säure wasseraufnahmefähig und fettabstoßend gemacht. Auf dem
angefeuchteten Stein haftet dann die Druckfarbe auf der Zeichnung,
während sie die freien Stellen abstoßen. Die Chromolithografie für
mehrfarbigen Steindruck wurde
1816 erfunden. Seit 1852 gab es lithografische Schnellpressen, die bis
zu 600 Drucke pro Stunde schafften. Die neue Technik verursachte eine
Bilderflut. Die mit Gratulationskarten beglückten Bürger wussten sich
mit einem Anti-Brauch zu helfen: Sie befestigten so genannte
Enthebungskarten am Haustor. Man erhielt diese Karten gegen eine Spende
bei Pfarrern oder Sozialeinrichtungen und konnte so dokumentieren, dass
man schon Gutes getan hatte und von weiteren Besuchern, die ein
Trinkgeld erwarteten, verschont bleiben wollte. 1829 führte die Wiener Pfarre Schottenfeld nach
Klagenfurter Vorbild die ersten Enthebungskarten ein, um "das blos
ceremonielle und daher lästige Glückwünschen zum neuen Jahre zum besten
der Armen dieser Pfarre abzustellen".
Das Christkind auf der Bildpostkarte wünscht "Gesegnete Weihnachten".
Zur gleichen Zeit erfreuten sich wohlhabende Bürger an verspielten
Glückwunschkarten. Mehr als vierzig Verlage beschäftigten sich im ersten
Drittel des 19. Jahrhunderts mit der Herstellung von "Wiener
Kunstbilletts". Die Erzeuger dieser Luxuswaren verwendeten als Material
Perlmutt, Messing, Spiegel und Fischschuppen. Ein raffiniertes System
versteckter Hebel öffnete Blumenkelche und Türen, bewegte Figuren und
ließ überraschende Pointen auftauchen. 1794 hatte allein der
Kunsthändler Johann Hieronymus Löschenkohl 323 Sorten Neujahrskarten auf
Lager: ernsthafte und humorvolle, "Grüße für die Muhme", für Gönner und
vor allem für Verliebte. Außerdem konnte man aus einer Kollektion
verschiedener Texte und Bilder individuelle Karten zusammenstellen.
Löschenkohl schaltete in der Vorweihnachtszeit Zeitungsinserate für
seine Produkte: "... in schön illuminierten und anpassenden Einfassungen
und Sinnbildern, theils auf Seide, theils auf Papier gedruckt." 1808
schickte eine Wiener Freundin Johann Wolfgang Goethe einige
Billetts, für die er sich überschwänglich bedankte: "Sie müssen sogleich
den lebhaftesten Dank empfangen. Die zierlichen, nickenden, bückenden
und salutierenden kleinen Geschöpfe sind glücklich angekommen und haben
nicht allein mir, sondern ganzen Gesellschaften, in denen ich sie produziert, viel Vergnügen
gemacht."
Dies waren allerdings reine Neujahrskarten, denn erst langsam
entwickelte sich Weihnachten zum idyllischen Familienfest. Die ersten
Weihnachts- und Neujahrskarten, noch ohne typisches Motiv, kamen aus
England. Der Gründer des Victoria-and-Albert-Museums, Sir Henry Cole,
beauftragte den mit ihm befreundeten Künstler John Horsley mit dem
Entwurf. Er ließ 1843 tausend Postkarten
drucken, teils für den eigenen Gebrauch, teils zum Verkauf für 1
Shilling pro Stück. Der raschen Verbreitung kam eine damals in England
erfolgte Porto-Ermäßigung zugute.
Enthebnungskarte zu Gunsten der Armen Wiens, 1868
In Kontinentaleuropa brachte die Einführung der Correspondenz-Karte mit
aufgedruckter Marke den Durchbruch. Österreich führte sie 1869 als
erstes Land der Welt ein. Eine Seite der Bildpostkarte war - bis 1906 - der Adresse
vorbehalten, der Text musste auf der Bildseite Platz finden und war
meist dementsprechend kurz. Die Blütezeit der Bildpostkarten lag
zwischen 1898 und 1918. Schnellpressen ermöglichten den Druck großer
Auflagen in der Technik der Chromolithografie. Daneben wurden Karten im
Buchdruck von Klischees als Strichätzung oder Autotypie oder mit
Schnellkopiermaschinen als Fotoabzüge hergestellt. Auch Prägen, Stanzen
und Applizieren ungewöhnlichen Materials war beliebt. Als Motive dienten
Christbaum-Idyllen, Engel, Kinder, Winterlandschaften und mit Päckchen
beladene
junge Damen. Religiöse Darstellungen waren eher selten. Mit der Masse
kam der Kitsch, dem die so genannte Wiener
Werkstätte künstlerisch Wertvolles entgegensetzen wollte. Bei den Karten
der Wiener Werkstätte finden sich auch etliche "Krampusgrüße ". Dieses
Genre war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Oft auf
rotem Karton gedruckt, zeigten sie Krampus und Nikolo, oft nur den
Krampus, wie er Kinder oder - mit Vorliebe - junge Frauen mit der Rute
schreckt. Die Verkehrsmittel des roten Teufels entsprachen der jeweils
neuesten Mode, vom Fahrrad bis zum Flugzeug und Moped. Dazu passten
Verse wie: "Der Krampus auf der Schlurfrakete, wär gut wenn er
verschwinden täte".