6. Dezember - Vom Nikolaus zum Weihnachtsmann#
© Dr. Helga Maria Wolf
Am 6. Dezember steht der Gedenktag des heiligen Nikolaus
im Kalender. Er war in der Frühzeit des anerkannten
Christentums Bischof von Myra (Dembre, Türkei).
Zur Zeit der Priesterweihe des jungen Nikolaus - durch seinen
Onkel Bischof Nikolaus d. Ä. - erlagen seine Eltern einer
Pestepidemie. Nikolaus verschenkte sein reiches Erbe.
Der geistliche Onkel setzte ihn als Abt eines neuen Klosters
ein. Nach dessen Tod pilgerte er ins Heilige Land und wurde
nach seiner Rückkehr vom Volk als neuer Bischof ausgerufen.
Er litt unter den Christenverfolgungen, endete aber nicht als
Märtyrer. Auf dem Konzil von Nicäa (325), das sich mit der
Dreifaltigkeit beschäftigte, spielte Nikolaus eine große Rolle.
Daher kommt auch die Zahl drei in seiner Vita immer wieder vor.
Er bekämpfte frühere Kulte, wie beim Orakel des
Apollo in der Hafenstadt Patara, und zerstörte den berühmten Artemis-
Tempel in Myra. Die Feier seines Gedenktags am 6. Dezember löste dort
traditionelle Feste ab. Nikolaus starb 65-jährig um das Jahr 350.
In der Ostkirche ist Nikolaus ein Erzheiliger (Hyperhagios). Man zählt ihn zu den 14
Nothelfern und betonte je nach Zeitgeist unterschiedliche Aspekte aus
seinem Leben. Ältere Überlieferungen wissen von der Errettung unschuldig
Verurteilter, Kornwundern oder Hilfe in Seenot. Die bekannteste Legende
ist die von den drei Töchtern eines
armen Vaters: Um ihnen den vorgezeichneten Weg in die Prostitution zu
ersparen, legte Nikolaus eines Nachts drei Goldkugeln auf das
Fensterbrett. Drei goldene Kugeln waren das Rangzeichen der Bischöfe.
Später deutete man sie auch als Münzen, Brote oder Äpfel, die sich in
Legenden und Brauchhandlungen wiederfinden. Geschichten als Helfer der
Kinder sind jüngeren Datums, aber besonders populär. Bekannt, und mit
dem Nikolausbrauch in Zusammenhang gebracht, ist die Legende von den
drei Studenten: Nikolaus erweckte die Ermordeten und Eingepökelten
wieder zum Leben. Das (Pökel-)Fass wurde zur Butte, in die der Krampus
die "schlimmen Kinder" steckt. Als heilige Gestalt darf Nikolaus nicht
selbst strafen, das überlässt er seinem Knecht.
Hierzulande ist es üblich, dass die Kinder für den
unsichtbaren Gabenbringer ihre geputzten Stiefel auf oder
kleine Schiffe basteln, die sie am Morgen mit Äpfeln, Nüssen und
Süßigkeiten gefüllt vorzufinden hoffen.
Aus dem Kloster Tegernsee ist ein Kindergebet aus dem 15.
Jahrhundert überliefert: "Heiliger St. Nikolas, in meiner Not mich nit
verlaß, / kombt heint zu mir und leg mir ein in mein kleines Schiffelein
/ darbay ich Ewer gedenkhen kann, das jr seit ein frommer Mann."
Ganz anders in den Niederlanden: Dort ist der "Sinterklaas" ein nationales Fest mit häuslich-familiärer Dimension.
Um 1850 erfand ein Lehrer die Legende, dass der Heilige mit seinem schwarzen Knecht per Dampfschiff aus Spanien kämen. Nikolaus reitet auf einem Schimmel in die Städte ein, so wurde etwa 1932 in Amsterdam der Einzug groß inszeniert. Auch in Flandern erzählt man den Kindern, dass der wie ein katholischer Bischof gekleidete Heilige über die Dächer reitet und sein Begleiter, der "Zwarte Piet" Geschenke durch die Schornsteine in die Wohnung wirft.
Der Hofprediger Abraham a Sancta Clara, der um 1700 lebte, erwähnte, der
Nikolaus komme "die Kinder zu probieren und zu examinieren, ob sie dann
auch durch ihre Herrn Lehrmeister, Hofmeister, Schulmeister,
Rechenmeister, Sprachmeister und andern Informationsräth wohl
unterwiesen in Glaubenssachen? In Buchstabieren, Sylbe theilen, Lesen
und Schreiben? In Rechnen? In Sprachen? etc.". Der Besuch des
examinierenden Bischofs wurde in der Gegenreformation von den Jesuiten
spielerisch durchgestaltet. Aus bis dahin kleinen Szenen entstanden
Umzugsspiele, in denen ein himmlisches und teuflisches Gefolge die
Hauptfigur umgibt. Sie fanden in Gasthöfen und Häusern, an mehreren
Spielorten nacheinander statt, kamen ohne Kulissen und einheitliche
Handlung aus. Nach dem Auftritt des "Vorläufers" folgten die Szenen
revueartig aufeinander.
Neben religiös belehrenden (wie das Jedermann-Thema) gab es lustige mit
Bajazzo, Zigeunern oder Hexen. Ein Engel kündigte den Auftritt des
Nikolaus an. Luzifer stritt mit dem Erzengel Michael um die Seelen, der
Teufel las den Eheleuten die Leviten. Solche Spiele bestanden bis ins
20. Jahrhundert und werden noch fallweise vorgeführt.
Andererseits mehren sich die Empfehlungen der Religionspädagogen,
Kindern nicht mit Krampussen zu drohen.
Bei der Gestalt des Nikolaus solle die Güte im Vordergrund stehen. Es
wird empfohlen, dass die Kinder dem Rollenspieler beim Anlegen des
Kostüms helfen. Ein 1966 erschienenes Werkbuch kritisiert die
traditionellen Feiern und empfiehlt Alternativen: "Der Höhepunkt naht.
.. Die Erwachsenen sammeln sich in der guten Stube um die Kinder, die
Großmütter, die Tanten vor allem. Dann aber hört man ihn! Wie er sich
den Schnee von den Schuhen stapft und mit Gepolter - gar nicht fein - an
die Türe pocht! Sie öffnet sich, und herein tritt der lang und bang
Erwartete. Er trägt ein Messgewand. .. einen Bischofsstab in der Hand,
im Gesicht aber einen watteweichen oder auch wild wuchernden Bart, nicht
etwa, weil man in der Ostkirche einen Bart trägt, sondern damit der
Spieler unerkannt bleibt. Die Erwachsenen sind verzaubert, und sie
beobachten gerührt die ergreifende Gläubigkeit der Kinder." Der weitere
Text zeigt, dass die Maskerade den Erwachsenen weit besser gefällt als
den Kindern, die der Besuch letztlich nur in
Schrecken versetzt.
Die Ablöse des unerkannt bleibenden Gabenbringers durch den
Einkehrbrauch wird mit dem Konzil zu Trient (1545-63) in Verbindung
gebracht. Dieses sollte, nachdem
Martin Luther in den Zwanzigerjahren des 16. Jahrhunderts
seine reformatorischen Schriften verfasst und diese große
Wirkung gezeigt hatten, die Lehre von Schrift und Tradition, Erbsünde
und Rechtfertigung, Messopfer, Sakramenten und Heiligenverehrung wieder
ins rechte - katholische - Licht rücken. Die Bischöfe mussten ihre
Gemeinden visitieren, ebenso visitiert der verkleidete Bischof Nikolaus
in der Folge die Familien. Alle guten Taten und das Sündenregister sind im
"goldenen Buch" verzeichnet, mit dem er die Kinder kontrolliert.
Im 19. Jahrhundert kam es zu einer Vermischung des Nikolaus mit dem
Weihnachtsmann. Diese Gestalt lag damals sozusagen in der Luft. Der
deutsche patriotische
Dichter Heinrich Hoffmann von Fallersleben dichtete 1835 "Morgen kommt
der Weihnachtsmann". 1847 zeichnete Moritz Schwind den "Herrn Winter"
als bärtigen Alten, der einen Christbaum trägt. In den Sechzigerjahren
des 19. Jahrhunderts kreierte der deutsche Auswanderer Thomas Nast in
Amerika seinen Santa Claus. Nast verwandelte den asketischen Bischof in
einen bärtigen Dicken mit rotem Mantel und Pelzhaube. Bald warb "Father
Christmas" für Neuerungen wie Auto oder Telefon. 1931 erhielt der
Weihnachtsmann jene Gestalt, die ihn als lustigen Opa mit rosaroten
Wangen und stattlichem Rauschebart unverwechselbar macht.
Sein lebendes
Modell war ein pensionierter Fahrverkäufer eines Erfrischungsgetränks.
Santa Claus sollte doch mal Pause machen, meinte The Coca Cola Company,
Atlanta. Sie beauftragte den schwedisch-amerikanischen Zeichner Haddon
Sundblom mit entsprechenden Inseratentwürfen. In den folgenden 35 Jahren
entwickelte er 44 Motive. Die konsumorientierte Adventsfolklore hatte
ihre internationale Symbolgestalt gefunden.
Es ist ein Ros entsprungen (Mainzer Cantual, 1605) (Text)#
Es ist ein Ros' entsprungen aus einer Wurzel zart.
Wie uns die Alten sungen, aus Jesse kam die Art.
Und hat ein Blümlein bracht,
mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht.
Das Röslein, das ich meine, davon Jesaias sagt:
Maria ist's die Reine, die uns das Blümlein bracht.
Aus Gottes ew'gen Rat hat sie ein Kind geboren
und blieb doch reine Magd.
Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß;
mit seinem hellen Scheine vertreibt's die Finsternis.
Wahr' Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide
rettet von Sünd und Tod.