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Notiz 070: Hart am Wind: Bedeutung I#

(Ich bin ein Kontext-Monster)#

von Martin Krusche

Ich lasse den Haupttitel noch kurz ohne Erläuterung stehen und wende mich einem Wortspiel zu. Wenn ich mein neues Projekt im Untertitel „Das Buch der Wendungen“ nenne, dann sind in diese vier Worte mehrere Andeutungen gepackt. Belesenen Menschen mag die erste Assoziation schon Aufschluß bieten, denn phonetisch liegt das ganz nahe am klassischen „Buch der Wandlungen“, einem bedeutenden Werk der antiken chinesischen Kultur.

Es ist oft verlockend, in bewährten Strukturen zu verbleiben. Dadurch wird bloß die Welt etwas kleinräumig. (Foto: Martin Krusche)
Es ist oft verlockend, in bewährten Strukturen zu verbleiben. Dadurch wird bloß die Welt etwas kleinräumig. (Foto: Martin Krusche)

Doch auch die ausdrückliche Betonung des Buches als einem Medium von Rang ist ganz bewußt gesetzt. Sinnerfassendes Lesen gehört derzeit nicht gerade zu den beliebtesten Kulturtechniken, wie auch die Mühen von Wissenserwerb gelegentlich schon populärer waren als in der Gegenwart.

Ich nehme das ganz unaufgeregt zur Kenntnis und stelle fest, daß diese Gesellschaft seit jeher auf verschiedene Lager verteilt lebt. Es ist derzeit en vogue, sich mit eher flüchtig begründeten Meinungen seine Wäsche zu wattieren und damit – gut gepolstert gegen Fragen und Einwände - recht ungerührt durch so manchen öffentlichen Diskurs zu poltern. Es ist en vogue, dabei all jene demonstrativ zu verachten, die ein fundiertes Wissen der flachen Meinung vorziehen.

Mich stört das inzwischen nicht mehr. In einer Demokratie darf man frei wählen, ob man lieber in flachen oder tiefen Gewässern gedeiht. Ich bestehe bloß auf meiner Möglichkeit, mir jene Leute, denen das Denken eine lächerliche Last ist, auf Distanz zu halten und ihnen nicht zu erlauben, uns als ebenbürtig zu betrachten. Ich nehme ihre zänkischen Prädikate wie „abgehoben“ und „elitär“ ungerührt hin. Das ist hohles Phrasendreschern ohne Gewicht, also für mich auch ohne jede Bedeutung.

I Ging#

Ich finde Kategorien wie Transition und Transformation faszinierend. Das Ungewisse. Das Bewegte. Wie anregend! Das chinesische „Buch der Wandlungen“ wird bei uns vor allem unter dem Titel „I Ging“ angeboten. Es ist aus Quellen geschöpft, deren älteste schon im dritten Jahrtausend vor Christus entstanden sein sollen. Ich bin naturgemäß ziemlich beeindruckt, daß sich in einem derart alten Gesamtwerk offenkundig der Übergang von der oralen Kultur zu einer Schriftkultur abbildet. (Es heißt, die chinesische Schrift sei mehr als 3000 Jahre.)

Mit einem Zeichensystem, das aus vierundsechzig Hexagrammen gebildet wurde, läßt sich eine Textsammlung ordnen, die Denkanstöße, Handlungsanweisungen und Empfehlungen enthält. Ich tendiere zu einer philosophischen Deutung dieser Texte, deren Lektüre mich mit außereuropäischen Denkweisen in Berührung bringt.

Das ist ein wichtiger Aspekt. Im Englischen nennt man ein Denken, welches über den Tellerrand hinausreicht, „Out of the box“. Wenn ich mich nun dem annähern möchte, was im Moment noch nicht gedacht werden kann, ist die Orientierung „Out of the box“ sehr nützlich.

Die Einstimmung in diesen Modus „Endlich nicht mehr klug!“ hat in anderen Kulturen Tradition. So ist das Koan im Buddhismus eine bewährte Übung, um die eigene Normalität einmal Pause machen zu lassen, um die eigenen Denkmuster kurz auf Null zu stellen.

Auf solche Art will ich das Projekt „Hart am Wind“ (Das Buch der Wendungen) als ein Beispiel von kollektiver Wissens- und Kulturarbeit gemeinsam mit anderen Menschen prozeßhaft entwickeln, mit der Kunst verzahnen.