Die grüne Alternative #
Sind Elektroautos wirklich klimaschonender als vergleichbare Benzin- oder Diesel-Pkws? Und wie sauber sind eigentlich Hybridfahrzeuge? Eine Analyse. #
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Die Furche (28. Jänner 2021)
Von
Oliver Fischer Mobilitätswende
„Elektroautos sind ja viel umweltschädlicher als normale Pkws. Alleine die Batterieherstellung, und dann die Stromerzeugung etc.“ Solche Argumente hört man oft, vielleicht aus Angst von Autofahrern, dass diese Alternative zum mobilen Status quo schlicht bedeuten würde, lang ersessene Freiheit einzubüßen. Etwa auch den Komfort und die Spielkonsolen-Action am Steuer. Kein endloses Fahren mehr, kein erwünschter „Speed“, frieren im Winter, schwitzen im Sommer, um ja Fahrstrom einzusparen, zudem Ladestopps mit Ruhepause. Und der Preis: „E-Mobilität ist ja sauteuer“, zumindest in den Köpfen.
Aber es kommt noch schlimmer: „Hybridfahrzeuge sind ja eh schon sauber.“ Gut, diese Vehikel können auch emissionsfrei fahren, also sauberer, trotz technisch bedingten Mehrgewichts. Doch hier der Trugschluss: Hybridfahrzeuge fahren meist nicht elektrisch, sondern zu 80 Prozent mit fossilem Treibstoff, vorrangig Benzin. Außerdem handelt es sich hier oft um die Spezies energiefressender SUVs, wodurch diese Antriebsart hinsichtlich Klimaschädigung noch schlechter dasteht als moderne Diesel- oder Benzinfahrzeuge vernünftiger Dimension, die 20 bis 50 Prozent weniger Sprit verbrauchen als solch überdimensionierte Stadtgeländewagen. Gut, es gibt doch auch vernünftige Hybridfahrzeuge. Aber wenn man dann elektrisch unterwegs ist, gilt dann nicht die eingangs erwähnte Behauptung? Also alles beim Alten belassen?
Nein, elektrisch betriebene Fahrzeuge sind tatsächlich die bessere Alternative, trotz energieintensiver Batterieherstellung und sogar bei Energieversorgung mit Kohlestromanteil. Anderslautende Behauptungen können ruhig in der Schublade der „Alternativen Fakten“ verschwinden, denn sie sind kurzum falsch. Dies hat 2018 ein deutsches Forscherteam mittels „Lebenszyklus-Analyse“, also bezogen auf den gesamten Produktlebenszyklus der untersuchten Fahrzeuge, herausgefunden. Die folgenden Vergleiche basieren auf diesen Resultaten.
Bevor es seinen ersten Kilometer macht, hat ein frisch gefertigtes E-Fahrzeug derzeit tatsächlich eine größere CO2-Last auf dem Buckel als ein vergleichbarer Neuwagen mit Treibstoff. Grund dafür sind die energieintensive Batterieherstellung und die Bereitstellung dafür nötiger Ausgangsmaterialien, die auch den umweltzerstörenden Erzabbau umfasst. Vergleicht man kompakte Mittelklasse-Fahrzeuge, wie es die deutschen Forscher taten, verursacht ein Benzin-Pkw in der Golf-Klasse bei seiner Herstellung etwa sieben Tonnen CO2, die Elektrovariante etwa zehn. Berücksichtigt wurde dabei auch die Art der Energiebereitstellung – und damit bei derzeit vorrangiger Akkuherstellung in China auch der hohe Anteil von Kohlestrom. Eine triviale Erkenntnis daraus: Je größer das Fahrzeug, desto größer ist meist sein Akku – und somit dieser initiale CO2-Rucksack. Im Fahrbetrieb kehrt sich diese Klimabelastung um: primär dadurch, dass im Alltagseinsatz ein Elektromotor wesentlich energieeffizienter operiert als ein Verbrennungsmotor, und zwar etwa um den Faktor drei, und dass auch die Stromerzeugung in Kraftwerken meist effizienter ist als ein Pkw-Motor im Fahrbetrieb. Auch wenn die Verluste aus Stromübertragung und Batterieladung noch hinzuzurechnen sind, ergibt dies einen klaren energetischen Vorteil für die Elektromobilität. Ähnlich verhält es sich mit dem CO2-Ausstoß, der ja mit der benötigten Energie wächst.
Polen: Mobilität mit Kohlestrom? #
Bleibt also noch zu zeigen, ob E-Fahrzeuge die Mehr-Emissionen aus der Herstellung gegenüber Verbrennungsmotoren wettmachen – und wenn ja, bei welchem Strommix und nach welcher Gesamtfahrleistung. In Österreich trägt vor allem die hohe Nutzung von Wasserkraft dazu bei, dass erzeugter Strom zu fast zwei Drittel aus erneuerbaren Energien stammt und dadurch eine vergleichbar geringe CO2-Last aufweist. So ist die Gesamtklimabilanz eines hierzulande am öffentlichen Netz geladenen E-Fahrzeugs der kompakten Pkw-Mittelklasse bereits nach circa 30.000 gefahrenen Kilometern besser als bei einem vergleichbaren Benzin- oder Diesel- Auto. Geht man von einer durchschnittlichen Fahrleistung von jährlich 15.000 Kilometern aus, so ist der E-Pkw nach weniger als zwei Betriebsjahren sauberer als sein herkömmliches Pendant. Und spart ab dann pro Jahr fast zwei Tonnen an CO2 ein. Für die darauffolgenden Jahre bedeutet dies mehr als zwei Drittel CO2-Einsparung durch E-Antrieb. Dies zeigt auch: je länger genutzt, umso besser die Klimabilanz.
In Deutschland amortisiert sich die Klimaschonung der E-Mobilität erst ein wenig später als hierzulande, im vorliegenden Fall nach etwa drei Jahren. Hauptgrund dafür ist der hohe Kohle-, jedoch sehr geringe Wasserkraftanteil am deutschen Strommix. Doch allmähliche Abkehr von Kohle sowie stetige Erweiterung der Wind- und Solarkapazitäten zeigen dort deutlich Wirkung, Jahr für Jahr. Aber wie steht es mit Polen, dem Parade-Kohlestromland Europas? Mit einem Anteil von 74 Prozent an der Stromerzeugung (Stand 2019) ist Kohle die bei weitem bedeutendste Energiequelle des Landes. Fährt der erwähnte Vergleichs-Pkw nun mit Strom aus dem polnischen Netz, so amortisiert sich dieser hinsichtlich Klimaschutz erst nach mindestens 130.000 Kilometern: bei Berufsfahrern also nach ein paar Nutzungsjahren, bei durchschnittlicher Fahrleistung jedoch erst nach circa neun Jahren (!). Zwar hält das Fahrzeug noch länger, der Akkumulator jedoch nicht unbedingt. Aber genau dessen Erzeugung gilt ja als Treiber für die CO2-Last des E-Fahrzeugs. Fahrzeughersteller bieten meist acht Jahre oder 160.000 Fahrkilometer Garantie für den Akku. Also ist zu erwarten, dass bei E-Fahrzeugen in Polen mit Erreichen der Klima-Amortisation auch ein Akkuwechsel ansteht, wodurch deren CO2-Last einen neuerlichen Höhepunkt erreicht. Amortisation außer Griffweite?
China als Vorreiter #
Doch selbst in Kohlestrom-affinen Ländern wie Polen sollte man nicht zurückschrecken, Elektroautos zu fördern und die zugehörige Ladeinfrastruktur aufzubauen. Denn die Kohleabhängigkeit wird sich in absehbarer Zeit verringern, dazu gibt es deutlichen Druck durch die EU-Klimapolitik. Außerdem wird die Akkuproduktion fortschreitend effizienter und sauberer, somit die initiale CO2-Last des Neufahrzeugs geringer. Und letztlich werden durch E-Mobilität direkte Emissionen aus dem Verkehr vermieden und somit Städte sauberer gehalten. Die Abgasreinigung dafür erfolgt nämlich effizient und zentral beim stromliefernden Kraftwerk. China hat diese Entwicklung schon vorgelebt und kann trotz knapp zwei Dritteln Kohlestromanteil mit weltweiten Spitzenwerten punkto Elektrisierung des urbanen Individualverkehrs aufwarten. Das Hauptmotiv dafür war die Not, den extremen Smog in den Megacitys zu verringern. Doch baute man damit bereits für die Zukunft vor. Denn in China werden derzeit auch die weltweit größten Kapazitäten an erneuerbaren Energien verbaut.
Und Hybridfahrzeuge? Als Neuwagen haben sie aufgrund des installierten Fahrakkus den größeren CO2-Rucksack eines E-Fahrzeuges. Dieser wird aber auch im Fahrbetrieb kaum verkleinert, sondern eher noch vergrößert. Denn in der üblichen Fahrpraxis werden solche Vehikel großteils mit dem Verbrennungsmotor betrieben und nur selten rein elektrisch. Daher sind Hybrid- Pkws aus Klimasicht sozusagen doppelte Sünder. Zurück zum Klimaschutz: Am allermeisten hilft aber immer noch, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, egal ob fossil oder elektrisch. Denn die beste Energie ist immer die eingesparte.
Siehe auch den Beitrag in IIASA-Options Summer 2021 !#